Yvon Chabrowski – Situated Knowledges or the Attempt of an Encounter

Die Dorothée Nilsson Gallery zeigt in der Ausstellung Situated Knowledges or the Attempt of an Encounter die preisgekrönten Video-Skulpturen LEVEL, HORIZONTAL, SWAYING und THE APPROPRIATE BODY der Künstlerin Yvon Chabrowski, die den Grenzraum der medialen Formate räumlich erfahrbar machen. In der Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen medialen Bildwelten, werden performative und dokumentarische Herangehensweisen zu einem offenen Verhandlungsraum verschränkt, der den Betrachtenden dazu einlädt, den eigenen Körper im Verhältnis zur medialen Oberfläche und körperlichen Repräsentation zu verorten.

In Anlehnung an den Essay Situated Knowledges (1988) von Donna Haraway konzipiert Yvon Chabrowski einen performativen Denkraum in dem es keinen neutralen Standpunkt ohne den eigenen Körper und schließlich der eigenen Perspektive gibt.

Haraway fragt:

How to see? Where to see from? What limits to vision? Whom to see with? Who gets to have more than one point of view? Who gets blinded? Who wears blinders? Who interprets the visual field? What other sensory powers do we wish to cultivate besides vision?

(Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective, 587 S.)

Bei der Video-Skulptur LEVEL steigt eine Performerin auf eine Glasscheibe, die in einem 40 Grad Winkel auf mittlerer Höhe im Raum aufgehängt ist. Vorsichtig platziert sie ihre Füsse und erhebt sich, ein wenig unsicher, bis sie ihren Blick nach vorne gerichtet und eine stabile Position erreicht hat. In heroischer Haltung schwebt sie nun über den Betrachtenden. Als modernes Monument zeigt der Bildschirm eine Siegerin im makellosen Körper, deren Verletzlichkeit und Fehlbarkeit dennoch immer präsent bleiben.

Auf dem Rücken liegend schauen Betrachtende auf einen Bildschirm, der horizontal etwa einen halben Meter über dem Boden hängt und somit direkt über ihrem Oberkörper schwebt. Auf der anderen Seite der Bildschirmfläche von HORIZONTAL scheint eine Performerin zu liegen, die Beine angezogen, sodass ihr Körper die gesamte Fläche ausfüllt. So stiftet die Video-Skulptur nicht nur Sichtbarkeit sondern ermöglicht eine körperliche Erfahrung der Nähe, der Schönheit und des Wohlbefindens gegenüber dem in der visuellen Ökonomie der Gegenwart marginalisierten alternden weiblichen Körper.

Eine Performerin hängt Kopf über und schwingt aus eigener Kraft vor und zurück, wobei ihr Oberkörper den Bildschirm lebensgroß ausfüllt. Bisweilen scheint sie von innen gegen die Bildschirmoberfläche der Video-Skulptur SWAYING zu stoßen. Sie tastet die Fläche mit den Händen ab, prüft sie auf ihre Präsenz; dann schlägt sie mit ihrem Gesicht dagegen. Dabei schwingt der Bildschirm mit, als würde sie selbst dessen Bewegung anstoßen oder durch ihn bewegt werden. Die Video-Skulptur tastet sich an dieser Grenzfläche zwischen Bild- und Betrachterraum ab, und damit an der Frage, wie mediale Bilder zur Realität werden.

 

HORIZONTAL, 2019 © Yvon Chabrowski
HORIZONTAL, 2019 © Yvon Chabrowski

Über Yvon Chabrowski

Yvon Chabrowski (lebt und arbeitet in Berlin und Leipzig) untersucht das Eigenleben zirkulierender Medienbilder im Verhältnis zu unseren Körpern und transformiert diese in raumgreifende Video-Skulpturen. Sie studierte Fotografie an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Timm Rautert und Florian Ebner sowie Freie Kunst an der École nationale supérieur des beaux-arts de Lyon. Sie absolvierte die Meisterklasse bei Peter Piller. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt, unter anderem auf der 4. Moskau Biennale für junge Kunst (2014), der 5. Odessa Biennale (2017), dem Kunstmuseum Liechtenstein (2016) und dem Nederlands Fotomuseum in Rotterdam (2011). Chabrowski ist Preisträgerin des 7. Internationalen Marianne-Brandt-Preises (2020) und des Villa Serpentara Stipendiums der Jungen Akademie der Künste Berlin (2020). 2019 publizierte Chabrowski den Katalog Video as Sculpture im Spector Books Verlag. Ihr aktuelles Projekt BRAVE NEW BODIES wird durch das Arbeitsstipendium 2021 der Stiftung Kunstfond gefördert.

Yvon Chabrowski – Situated Knowledges or the Attempt of an Encounter

29.05.2021 – 10.07.2021

Dorothée Nilsson Gallery

Veröffentlicht am: 09.06.2021 | Kategorie: Ausstellungen, Kultur, Kunst,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert