Berlin – Stadt der freien Kunst. Gern rühmen sich Stadtväter und -mütter für das vielfältige Kunstangebot der Metropole, loben das Engagement der Künstler*innen für Berlin und werden nicht müde, hervorzuheben, wie wichtig die Kunst ist, welche Bedeutung der Kunststandort Berlin für den Zusammenhalt und das gesellschaftliche Klima der Stadt hat.
Die Kulturlandschaft der Hauptstadt wird mit knapp 400 Mio. € pro Jahr gefördert. Dabei kommen ca. 95 Prozent des Budgets über 70 dauerhaft institutionell geförderten Kultureinrichtungen zugute: Museen, Theater, Opernhäuser. Nur rund fünf Prozent werden für Einzel- und Projektförderungen (inklusive Hauptstadtkulturfonds) aufgewendet. Das erscheint wenig, sind es doch gerade die verschiedenen Projekte und Einzelaktionen von Künstlern, die das Angebot in Berlin so unglaublich attraktiv für Bewohner und Besucher machen. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum der Status „Kulturhauptstadt“ auf wackeligem Boden steht.
Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht oder sich umhört, weiß um die Probleme der steigenden Mieten, die nicht nur Mieter und Gewerbetreibende, sondern auch freie Künstler*innen dort packen, wo es wehtut – am Geldbeutel. Dazu kommt die allgemeine Tendenz, auslaufende Verträge nicht mehr zu verlängern, weil der nächste Mieter bereit ist, mehr Geld zu zahlen. Und so verliert Berlin nach Aussage der Koalition der Freien Szene pro Jahr 350 bezahlbare Ateliers. Da greift dann auch das Arbeitsraumprogramm nicht mehr, über das Ateliermieten subventioniert werden können, weil ja auch alles andere, was benötigt wird, um Kunst frei auszuüben, irgendwie bezahlt werden muss. Und weil es ohnehin eine schwierige Prozedur ist, sich Jahr für Jahr durch ellenlange und teils komplizierte Förderanträge zu quälen – immer mit dem Damoklesschwert im Nacken, dass es auch mal nicht klappen kann, denn die erwähnte fünf Prozent Kulturförderung sind schnell ausgeschöpft. Das ist nicht sexy und das passt damit nicht zu dem Bild, das von Berlin gern gezeichnet wird.
Lösungen für den Kunststandort Berlin
Auffangen könnte die Stadt die Kunstszene, indem sie selbst bedrohte Areale erwirbt, indem Bauinitiativen unterstützt werden oder grundsätzlich ein gewisser prozentualer Anteil an Gewerbeneubauten für Kunstprojekte oder Ateliers bereitgestellt wird. So lautet auch der Forderungskatalog, den die Koalition der Freien Szene aufgesetzt und an den Senat geschickt hat. Ob er ankommt und auf offene Ohren stößt? Grundsätzlich weiß man in Berlin, wie wichtig gerade die freie Szene ist. Grundsätzlich ist man ihr gegenüber auch gewogen und trotzdem steht es in den Sternen, ob die Kampfansage der Künstler*innen auf fruchtbaren Boden trifft. Vielleicht ist es ja auch an der Zeit, die Wirtschaftsunternehmen, die vom kulturellen Standort Berlin profitieren, stärker einzubinden und damit neue Fördermöglichkeiten zu entwickeln – Stichwort Corporate Culture Responsibility. Ansätze gab es ja schon, manche davon weniger rühmlich, wie die Aktion der Deutschen Bank (siehe Beitrag-Link unten). Ein anderes Beispiel ist das BBQforLife jährlich initiiert vom Lions Club Berlin-NEXT, wo man mit seiner Teilnahme oder Spende direkt ein Berliner Kunstprojekt unterstützt. (http://www.bbqforlife.de) In diesem Jahr ist es das Mitsing-Konzert für sozial benachteiligte Kinder im Atze Musiktheater.
Vielleicht sollte es auch eine Touristenabgabe geben, die ausschließlich in die Förderung der freien Kunst- und Kulturszene fließt. Möglichkeiten, das Sterben von Kunstprojekten und Ateliers aufzuhalten oder zumindest erst einmal zu verlangsamen, gibt es genug. Da greift der Satz: Wo ein Wille, da auch ein Weg. Man muss ihn halt nur gehen.
Dazu siehe auch folgenden Beitrag:
Wo kein Wille ist, ist kein Weg.
Berlin bat Künstler, Berliner zu werden, Berlin solle Kulturhauptstadt werden. Es bot als Gegenleistung: Hochdotierte Eindrittelstelle, Wohnung, Stipendien. Zeitgeist änderte sich. Zeitgeist kleinster gemeinsamer Nenner. Medien beeinflussen Zeitgeist. Berliner Parlament verweigert Künstlern, die bereit wurden, im Bereich Integration, Soziokultur, Kultureller Bildung zu arbeiten (als Künstler selbst bestimmt, nicht marktorientiert arbeiten zu müssen) Integration – Solidarisches Bürgergeld.