Wie riecht Berlin? Die aus Norwegen stammende und in Berlin lebende Geruchsforscherin und Künstlerin Sissel Tolaas widmet sich in der Ausstellung „22 – Molecular Communication“ der Geruchslandschaft der Müllerstraße im Berliner Bezirk Wedding. Dem eigens für die Schering Stiftung und die Galerie Wedding entwickelten Projekt liegt eine intensive Feldrecherche zugrunde. Sissel Tolaas hat sich mit der Geschichte der Müllerstraße befasst und dort Gerüche lokalisiert, die den Bezirk prägen. Diese stellt sie in „22 – Molecular Communication“ vor, indem sie den Projektraum der Schering Stiftung in eine Art Chemielabor verwandelt. Anhand von dampfenden Glaskolben, die zum konzentrierten Riechen einladen, können einzelne charakteristische Duftmoleküle oder komplexe Molekülverbindungen erschnuppert werden. Zugleich befinden sich die Besucher*innen in einem Arbeitsraum, der auf Sissel Tolaas’ eigenes Labor Bezug nimmt. In ihrem im Jahr 2004 gegründeten „Smell Research Lab“ rekonstruiert die Künstlerin mithilfe synthetischer Moleküle und dank ihrer Expertise im Fach Chemie reale Gerüche, die sie in Metropolen auf der ganzen Welt sammelt. 52 Geruchsprofile verschiedener Städte und Landschaften hat sie bislang geschaffen.
Historische Laborgeräte der 1920er bis 1960er Jahre aus den einstigen Forschungslaboren des Pharmaunternehmens Schering konnten mit Unterstützung des Deutschen Technikmuseum Berlin zusammengestellt werden und bilden die Grundlage der Installation. So erinnert die Ausstellung auch an die Geschichte der Schering AG, deren florierender Forschungsbetrieb und Verwaltungssitz bis ins Jahr 2006 in der Müllerstraße zu finden war.
„22“ ist in Kooperation mit der Galerie Wedding entstanden, wo die Künstlerin in einer zweiten Ausstellung, die am 18. April 2019 eröffnet, die Smellscape der Müllerstraße unmittelbar erfahrbar macht: Mittels Sensoren, die an verschiedenen Punkten entlang der Straße angebracht werden, gelangen die Gerüche vom Außenraum in den Galerieraum und werden dort über Ventilatoren im Raum erfahrbar gemacht. Wetterlage und Windstärke bestimmen, was gerochen werden kann.
Sissel Tolaas studierte Chemie, Bildende Kunst, Linguistik und Mathematik in Oslo, Moskau, St. Petersburg und Oxford. In den 1990er Jahren unterzog sie sich sieben Jahre lang einem intensiven Geruchstraining, das sie selbst entwickelte.
Eines ihrer ersten urbanen olfaktorischen Forschungsprojekte wurde im Jahr 2004 auf der 3. Berlin Biennale ausgestellt. Tolaas hatte dafür systematisch die Gerüche der Berliner Stadtteile Mitte, Kreuzberg, Neukölln, Reinickendorf und Charlottenburg erforscht und nachgebaut. Kurze Zeit später gründete sie das Smell Research Lab, das sich bis heute in Berlin-Wilmersdorf befindet und von dem internationalen Konzern IFF (International Flavors and Fragrances) unterstützt wird. Tolaas ist in der Wissenschaft ebenso zuhause wie in der Kunst. Sie war Teil des Art & Science-Projektes „Synthetic Aesthetics“, arbeitete mit Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik an einem Vokabular zur präzisen Verbalisierung von Gerüchen und stellt weltweit in Museen sowie auf Biennalen aus, darunter die Riga Biennale (2018), das Museum of Modern Art (2016 / 2010) oder das Museum Tinguely (2015).
Begleitveranstaltungen in der Schering Stiftung:
27. April 2019, 14:30 Uhr, Galerie Wedding & Schering Stiftung „2 x 22“ – Kuratorische Führung mit Solvej Ovesen und Christina Landbrecht Die Führung beginnt um 14:30 Uhr in der Galerie Wedding (Müllerstr. 146/147 | 13353 Ber-lin). Der zweite Teil in der Schering Stiftung beginnt um 15:30 Uhr. Keine Anmeldung erfor-derlich | in deutscher und englischer Sprache
6. Mai 2019, 18 Uhr, Schering Stiftung „Smell in the Anthropocene“ – Vortrag und Gespräch Prof. Dr. Bill Hansson, Direktor der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie Jena im Gespräch mit Sissel Tolaas (in englischer Sprache) Schering Stiftung | Unter den Linden 32-34 | 10117 Berlin
Wie richt Berlin? Sissel Tolaas mit „22 – Molecular Communication“
Vernissage: 10. April 2019, 18–21 Uhr
Ausstellung: 11.04.2019 – 25.06.2019
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