Wandbild “Collateral Crucifixion of Assange”

Wandbild: Collateral Crucifixion of Assange

Seit Karfreitag (!) gibt es direkt neben dem Willy-Brandt-Haus in Berlin-Kreuzberg ein neues Mural: Das Künstlerduo Captain Borderline ruft mit dem 20 x 10 m großen Wandbild „Collateral Crucification“ auf, den Australier Julian Assange aus dem Gefängnis freizulassen. Aber es geht um mehr als ein Menschenleben: Das Streetart-Kollektiv sieht die demokratische Pressefreiheit ans Kreuz genagelt und folgt damit einem Aufruf von Kultur- und Medienschaffenden, der sich aus einer gemeinsamen Pressekonferenz ergab, sich für Assange einzusetzen. Der Fall Assange wird als die größte Operation der USA bezeichnet gegen ausländische Journalisten und Herausgeber überhaupt, die dabei nach dem Spionage-Gesetz angeklagt werden, das eigentlich im Sinne des Landesverrats den tatsächlichen Geheimnisträgern (Whistleblowern) gilt.

Der Titel des Murals referiert auf das Videomaterial „Collateral Murder“. Auf Instagram findet ihr einige Videos zur Entstehung des Wandbildes und der Siebdrucke sowie eine Animation (Link s.u.). Hier werden in die fünf Kästen des Kreuz-Querbalkens fünf TV-Geräte eingespielt (inkl. Sound), die Videosequenzen aus „Collateral Murder“ visualisieren. Das ab 2010 unter „Collateral Murder“ (Link unten) bekannt gewordene Video-Material zeigt, dass bei dem gewaltsamen Tod irakischer Zivilisten auch zwei Reuters-Journalisten umkamen: Am 12. Juli 2007 wurden Saeed Chmagh und Namir Noor-Eldeen in Bagdad von Bordschützen US-amerikanischer Apache-Hubschrauber erschossen. Das Pentagon blockierte Reuters per FOI – Freedom of Information (Informationsfreiheit) den Zugriff auf das Video. Die Mörder sind frei, während der Publizist Julian Assange inhaftiert ist und unter schlechten Umständen im Londoner Gefängnis sterben könnte, weil er Kriegsverbrechen aufgedeckt hat. Als Zeichen der Anerkennung von Assanges Tätigkeiten als Publizist zeugt die Presseweste auf dem mit recht klassischen Stereotypen (Kreuz, Kamera, Armeen) ausgestatteten Mural. Die Presseweste tragen Reporter zum Schutz ihrer selbst und ihrer Berufsausübung während der Berichterstattung in brenzligen Situationen, um von allen Seiten als neutral erkannt zu werden.

„Collateral Crucification“ kritisiert das Einknicken sämtlicher Staaten vor der US-Macht, Assange politisches Asyl zu gewähren (Nach einem Machtwechsel in Ecuador erlosch selbiges nach sieben Jahren Aufenthalt in der ecuadorianischen Botschaft Londons) – und ebenso die ruhiger werdende Pressearbeit zu dem Thema, wobei dies vor allem der Presselandschaft ein Anliegen sein sollte.

Assange Mural, Foto © Captain Borderline Crew
Assange Mural © Captain Borderline Crew

Siebdrucke

Für die eigene Sammlung und um die Arbeit des gemeinnützigen Kunst- und Kulturverein “Colorrevolution” e.V. bei der Finanzierung des riesigen Wandgemäldes von “Captain Borderline” zu unterstützen, könnt ihr einen Siebdruck mit dem Motiv erwerben, auf hochwertigem Hahnemühle-Papier (DINA2 / 70cm * 50cm / 300g / Naturweiß) – https://assange.colorrevolution.de
Zumal niemand heute weiß, wie lange dieses StreetArt-Werk an der Hauswand existiert!

Julian Assange und WikiLeaks

Julian Assange gründete 2006 WikiLeaks, eine Plattform für Enthüllungen von Kriegs- und Umweltverbrechen (siehe wikipedia „Veröffentlichungen WikiLeaks“). Wichtig dabei war, die Informanten (Whistleblower) – mittels Verschlüsselungstechnologien – zu schützen, indem sie die geheimen Dokumente an Assange übermitteln konnten, ohne dass sie persönlich als Quelle identifizierbar waren. WikiLeaks machte so von Whistleblowern zugespieltes, geprüftes Material, u.a. hunderttausende geheime Dokumente der USA zu den Vorgängen im Afghanistan- und Irak-Krieg publik. Genauere Einblicke gibt es in der ARD-Dokumentation (s.u.).

Hier kommt auch sein Anwalt, Baltasar Garzón, zu Wort:

„Ich stimmte zu, Assange zu verteidigen, weil ich denke, dass er zum Sündenbock gemacht wurde. Er hatte es gewagt, aufzudecken, was sich später als eine verbrecherische, sittenwidrige und meist unmoralische Praktik erwies. Eine Art, Politik zu betreiben, die in einer Demokratie inakzeptabel ist.“

Presse- und Informationsfreiheit

Und auch Holger Stark, stellv. Chef-Redakteur Die Zeit, konstatiert in der Assange-Doku:

„Hey! Das Entgegennehmen, Bearbeiten und Publizieren von geheimen Informationen ist Brot und Butter des täglichen Journalismus.“

(Sept. 2020, min. 57:28).

WikiLeaks hat einen Weg gefunden, das gesamte System transparenter zu machen. Und ja, diese zutage beförderten Wahrheiten sind schwer zu verkraften. Für mich persönlich wirft es allerdings Fragen auf wie: Was denken wir, ist Journalismus? Durch welche Filter laufen die veröffentlichten Informationen – und was wird gleich gar nicht besprochen? Wer kommt in welche Medien? Was wollen wir wirklich lesen – und wie wichtig ist uns vielleicht eher der nicht-reale Frieden um uns herum?
Bezeichnend war – ähnlich wie im Fall der Panama Papers in den Siebzigern – dass die WikiLeads-Veröffentlichungen durch einige der größten Medien (die New York Times, der Guardian, der Spiegel) getragen wurde, die im Schulterschluss unterstützten, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Auch Edward Snowden sieht das Verfahren mit Assange sehr kritisch:

„Was passiert das nächste Mal? Wenn China die Auslieferung eines kanadischen Journalisten fordert, wenn Saudi-Arabien das gleiche tut mit jemandem, der in Argentinien lebt? ‚Wir‘ schaffen hier gerade einen Präzedenzfall, mit dem wir dann einhundert Jahre leben müssen. Und egal, was man über Assange denkt: Die Methoden, mit denen WikiLeaks arbeitet, haben Schule gemacht und den Journalismus verändert. Und wenn wir das nicht erkennen, und ich denke, das ist das Traurigste an dieser Sache, dann verdienen wir das wohl nicht. Und das Ergebnis ist, dass wir es verlieren gerade dann, wenn wir es am meisten brauchen.“

Entstehung des Assang Murals © Captain Borderline
Entstehung des Assang Murals © Captain Borderline

Tipps in der Umgebung:

Das Willy-Brandt-Haus nebenan ist berühmt für seine hochqualitativen Fotografie-Ausstellungen (sofern es die pandemische Lage wieder erlaubt: https://www.willy-brandt-haus.de/kunst-kultur/).
Auf der anderen Seite des U-Bahnhofs Hallesches Tor gibt es das „Hallesche Haus“ https://www.hallescheshaus.com/pages/info – nicht nur ein sehenswerter Gebäudekomplex, sondern ein wunderbarer Ort, um lecker zu essen und zu trinken (Öffnungs- bzw. Abholzeiten je nach Corona-Lage).

Mural:

Stresemanstraße 15

Links:
Animation von „Collateral Crucification“ – Instagram
„Collateral Murder“- collateralmurder.wikileaks.org
ARD-Dokumentation – www.ardmediathek.de

Text:

Jana Noritsch + Foto „Hallesches Tor“; Alle Fotos des Wandbilds mit freundlicher Genehmigung: Captain Borderline

Hallesches Tor © Noritsch
Hallesches Tor © Noritsch

 

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https://www.instagram.com/captainborderlinecrew

Veröffentlicht am: 12.05.2021 | Kategorie: Kultur, Kultur - was sonst noch passiert, Kunst, Kunst - was sonst noch passiert, Redaktion-Tipp, | Tag: Kolumne Jana Noritsch,

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