Sie zählt zu den wichtigen Künstlerinnen einer konkreten (Textil-) Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: In der Saarländischen Galerie in Berlin kann man ab dem 26. April das Werk von Sofie Dawo (1926-2010), das lange Zeit unbeachtet blieb, wieder oder neu entdecken.
Sofie Dawo hat seit den 1960er Jahren entschieden und mit Mut zum Experiment ihre eigene Position innerhalb der Textilkunst entwickelt. Ausgehend von den Prinzipien der Bauhaus-Grundlehre, die die ästhetische Produktion auf ihre zentralen Bildelemente hin untersucht, ist Dawos Abkehr von traditionellen Gestaltungsformen der „Webkunst“ radikal. Ihre Arbeiten entstehen nicht mehr als Umsetzung einer in einem anderen Medium konzipierten Vorlage, allein das Material mit seinen Eigenschaften bestimmt die Gestaltung. Sofie Dawo nennt es die „Selbstzeichnung“ des Materials, ihr Konzept hat sie so beschrieben: „Meine Arbeiten entstehen vorwiegend aus den gestalterischen Möglichkeiten textiler und anderer Materialien, die auf ihre neuen Ausdrucksmöglichkeiten hin untersucht und eingesetzt werden. Meist entstehen Entwurf und Komposition der Behänge aus den verschiedenen Materialien selbst und aus der Kenntnis der Technik des Webens.“ Zeitgenössische Beurteilungen haben darin zurecht eine Nähe zu den Gestaltungsprinzipien von ZERO und Informel gesehen.
Mit der Konzentration einer Forscherin untersucht Sofie Dawo in ihren Arbeiten die Wesenseigenschaften ihrer Materialien, häufig in Serien. Auch der Einsatz neuer Materialien wie Metall oder Kunststoff wird erprobt. Sie unterstützen Dawos Versuch, die Zweidimensionalität der gewebten Fläche zu verlassen: „… früh bin ich (…) in den Raum hineingegangen“ (Dawo). Wolle wird gekocht, um eine größere Festigkeit für die dreidimensionale Gestaltung zu gewinnen, Fäden unterschiedlicher Länge werden gereiht und geschichtet bis sich aus der Anhäufung ein reliefartiges Objekt bildet.
Dawo sucht und belässt die Unregelmäßigkeiten von Zerstörung: Fäden werden gerissen, Gewebe in ihrer Regelmäßigkeit durchbrochen. Ein Knoten oder eine Schlinge können in gleichmäßiger Reihung oder Variationen zu tragenden Bildelementen werden, denn: Sie sind vom Material aus gedacht.
Biografie:1926 geboren in St. Ingbert/Saar 1948-52 Schule für Kunst und Handwerk, Saarbrücken 1952-58 Entwerferin in der Textilindustrie 1958-71 Leiterin der Klasse für Weben und Stoffdruck der Staatlichen Werkkunstschule Saarbrücken 1971-89 Leiterin des Fachbereichs Design, Fachrichtung Textildesign der Fachhochschule des Saarlandes, Saarbrücken 1975 Ernennung zur Professorin 1989-92 Hochschullehrerin an der Hochschule der Bildenden Künste Saar, Saarbrücken 2010 gestorben
Sofie Dawo – Textile Arbeiten
26.4.2022 – 4.6.2022