Kolumne: Reden wir über Wertschätzung

Kolumne: Reden wir von Wertschätzung, Jeannette Hagen für Kunstleben Berlin

Kunstleben Berlin Kolumne von Jeannette Hagen. Wir hatten an dieser Stelle schon einige Beiträge zum Thema Geldverdienen mit Kunst. Darüber, wie man es als Künstler*in schafft, von der eigenen Kunst zu leben, schließlich kommt niemand, der ernsthaft von sich als Künstler oder Künstlerin spricht, daran vorbei. Und natürlich träumen viele davon, irgendwann mal DEN großen Wurf zu landen, entdeckt zu werden, Teil des Marktes zu werden, den das Gros der Kunstschaffenden nur als Beobachter*in kennt.

Viele rackern sich ab, schaffen wertvolle Arbeiten, bereichern mit ihren Bildern, Büchern, Skulpturen, Installationen, Theaterstücken oder digitalen Werken das gesellschaftliche und kulturelle Leben und leben trotzdem in prekären Verhältnissen. Die Diskrepanz zwischen dem, was Künstler*innen geben und dem, was sie an monetärer Wertschätzung zurückbekommen, könnte größer kaum sein. Autoren erhalten je nach Auflage irgendetwas zwischen fünf und acht Prozent des Verkaufspreises, abzüglich der Mehrwertsteuer. Da kann sich jede*r ausrechnen, wie viel das bei einer Auflage von vielleicht 2000 Büchern ist. Die Arbeit, die in einem gut recherchierten Buch steckt, sollte man im Nachhinein besser nicht in Geldwert umrechnen, weil man oft so weit unter den Mindestlohn rutscht, dass einem die Tränen kommen und man es eigentlich sein lassen müsste. Bei Schauspieler*innen oder anderen Kreativen und Künstler*innen sieht es selten besser aus. Da ändert auch ein gewisser Bekanntheitsgrad nicht viel.

Leider ist jedoch die Wahrnehmung derjenigen, die Kunst oder Kultur konsumieren, eine andere. Sie wissen nicht, dass zum Beispiel Künstler*innen, die an einer Gruppenausstellung teilnehmen, manchmal weniger als 100 Euro dafür bekommen, dass ihr Werk über Wochen betrachtet werden kann. Sie ahnen nicht, dass von dem Eintritt, den sie für eine Veranstaltung zahlen, wirklich nur ein minimaler Bruchteil bei den Künstler*innen ankommt, wenn sie nicht gerade angestellt sind.

Bleibt die Frage, warum man sich das antut. Warum verzichtet man freiwillig auf die Bequemlichkeit eines monatlichen Einkommens? Warum schraubt man freiwillig seine Bedürfnisse auf ein Minimum zurück? Was die Menschen trägt, was sie durchhalten und weitermachen lässt, ist bei den meisten, die ich kenne, ein ungebrochener Idealismus, gepaart mit einer Portion Trotz und einer Prise Hoffnung. Und natürlich geht es darum, sich selbst zu verwirklichen, dem, was man in sich trägt, einen Ausdruck im außen zu verleihen. Dazu kommt der Wille autonom zu sein und frei zu arbeiten. Leider ist gerade das oft eine Illusion. Mag die Autonomie beim kreativen Akt selbst noch gegeben sein, spätestens wenn es um die Vermarktung geht, ist sie in den meisten Fällen dahin.

Bleibt die Frage nach der Konsequenz. Wer Geldsorgen hat, schränkt damit seine Kreativität ein. Wer einen Brotjob nebenbei hat, vermutlich auch. Aber wenn es anders nicht geht? Wie weit ist Selbstausbeutung ok?

Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Letztendlich bleibt es den Kunstschaffenden selbst überlassen, welchen Weg sie wählen. Und trotzdem sollten jene, die Kunst konsumieren, immer auch mal wieder daran denken, dass die, die uns den Kunstgenuss bereiten, zuweilen viel dafür opfern. Das wertzuschätzen, wäre schon ein Anfang.

Veröffentlicht am: 10.09.2021 | Kategorie: Kolumne Jeannette Hagen, Kunst, Redaktion-Tipp,

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