K Young ist Künstler:In für fotografische Medien, K lebt und arbeitet in London. Als Absolvent:In des Central Saint Martins College of Arts and Design arbeitet K hauptsächlich mit Collagen und prozessualen Techniken, die er_sie als Re-Photography bezeichnet. K bedient sich Bildmaterials aus Second-Hand-Büchern und -Magazinen; K gestaltet dieses Material vollkommen neu, indem er_sie das Material – geleitet durch künstlerische Instinkte – schneidet, zusammenspleist und wieder verbindet, so dass durch vermeintlich glückliche Fügung eine Collage entsteht, die dann fotografiert und als Print aufgelegt wird, entweder als Unikat oder als Serie, und so in seine ursprüngliche Form, die Fotografie, zurückgeführt wird.
K hinterfragt gängige Vorstellungen gängiger Wahrheitsbegriffe, Interpretationen und des Unterbewussten und behandelt Themen wie visuelle Codes und gesellschaftliche Konventionen bis hin zu Identität, Gender-Politics und Sexualität.
Schneiden. Heften. Spleißen. Erneut schneiden. Schichten. Erneut Schichten. Neu Rahmen (Re-frame). Neu Fotografieren (Re-photograph). Gesichter lösen sich auf, verschwinden und gesichtslose Schemen treten in Erscheinung. Körper(teile) gehen ineinander über, verdichten sich in der surrealen Architektur ihrer Umgebung, eingehegt durch die Begrenzung des Rahmens. Indem sich willkürliche Begegnungen und Verdrängungen herausbilden, enthüllen K Youngs Collagen verschlungene wie aufwühlende Bilderwelten. Wie die Anrufung eines in Raum und Zeit frei schwebenden Moments, eingefroren zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Wahrheit und fixierter Repräsentation, real, impliziert oder imaginiert – und wie eine Beschwörung einer neuen Reflexion über künstlerische Fotografie und ihrer Bildgebung.
„Die Pose der Figur oder auch die Inszenierung der jeweiligen Objekte fasziniert mich mehr als die Sujets an sich; es sind die visuellen Codes und Konventionen innerhalb dieses Rahmens, denen mein primäres Interesse gilt.“
K Youngs fotografisches Material hat Anklänge an John Stezakers minimale wie hochgradig suggestive Interventionen, an Ellen Gallaghers Bildsprache wiederkehrender, vielschichtiger Motive, oder auch an die außerweltlich-fremdartigen Kompositionen und Perspektiven von Man Ray – das fotografische Material erfindet sich neu und nimmt dabei Anleihen an seine ursprüngliche Glaubwürdigkeit.
„Ich vermeide ganz aktiv bewusste Ideen oder Narrative und setze oft Zufallsstrategien in meinen Arbeitsprozessen ein. Dabei beruht keine Entscheidung auf reiner Willkür, ich setze eher auf emotionale, weniger auf intellektuelle Resonanz, wenn ich meine Ursprungsmaterialien auswähle, zuschneide oder zusammenfüge.“
Wenn der ursprüngliche Kontext entfällt, treten neue Narrative zutage, in denen sich K Youngs unbewusste Gedanken materialisieren – und unvermeidlich auch deren allgegenwärtige Stereotype und Vorurteile. Die Queerness der entstehenden Bilder spiegelt die Queerness der Körper und Gesichter, aus denen sie bestehen.
Es sind Körper und Gesichter, die oft weiblich und jung sind, Modelle einer konventionellen Schönheit, aus einer anderen Zeit entsprungen. Die Rohheit ihrer Fleischlichkeit ist auf die Geometrie eines Bodens beschränkt, einer Decke, einer Gardine, eines Stuhls, eines Schuhs, der Geometrie der Fotografie an sich. Feingeistig und dabei hochpolitisch dekonstruiert K die Bilder, die Normen, durch die ein Subjekt beherrscht wird, eine binäre Repräsentation des weiblichen Körpers – und des Objekts –, die Einrahmung des Körpers durch die Fotografie als solche.
Durch das Betrachten der Kunstwerke erfahren die Betrachtenden eine Verunsicherung, sie werden mit Konventionen konfrontiert, die ganz offenbar der Vergangenheit angehören, aber auch mit den unbewusst subjektiven Ausgestaltungen des/der Künstlers:In – und schließlich auch den Impulsen ihrer eigenen Interpretationen. Bilder werden ausgeschnitten. Kompositionen werden gestickt. Bedeutungen werden zusammengefügt. Interpretationen werden übereinander geschichtet. Und so wie das Bild an sich rephotographiert wird, wird die Wahrheit re-framed – neu gerahmt.
Aus dem Englischen übersetzt von Lewis Gropp.
THE CURVE
the Curve ist eine nomadische Galerie, die sich ausschließlich der Ausstellung und Förderung zeitgenössischer Collage-Kunst widmet. Junge aufstrebende ebenso wie bereits etablierte Collage-KünstlerInnen erhalten hier gleichermaßen eine Plattform. 2017 von der Schweizerin Valerie von Meiss als privater Kunstraum im 3. Stock eines Wohnhauses in Berlin-Mitte gegründet, ist the Curve zudem immer in Bewegung, stetig in Veränderung.
RE-FRAMED / RE-PHOTOGRAPHED, präsentiert von the Curve, Berlin, ist K Youngs erste internationale Solo-Ausstellung. Die Ausstellung wird kuratiert von Roxane Latrèche & Valerie von Meiss.
Beitragsbild: K Young: They, with Green Stool, Paper collage, 2022
RE-FRAMED / RE-PHOTOGRAPHED: Eine Solo-Ausstellung von K Young
03. Juni 2022 – 12. Juni 2022