Quote statt Qualität?

Quote statt Qualität - Kunstleben Berlin - Jeannette Hagen

Bleiben wir noch ein bisschen bei den Frauen. Denn nicht nur Galeristen und Auktionatoren entdecken plötzlich ihr Herz für die Kunst von Frauen, sondern auch die Museen. Dass das nicht immer so war, zeigt eine aktuelle Ausstellung in der Alten Nationalgalerie. „Kampf um Sichtbarkeit“ heißt sie und ist noch bis zum 08.03.2020 zu sehen – just bis zum Frauentag, den Berlin für alle zum Feiertag gemacht hat.

Interessant ist, dass man gar nicht erst, so wie in der Ausstellung Kampf um Sichtbarkeit, 100 Jahre zurückblicken muss, um festzustellen, dass Kunst von Frauen in Museen deutlich unterrepräsentiert ist. Bis vor kurzem stammten nur etwa 1,5 Prozent – also nur rund 30 von den gut 2000 Kunstwerken der Alten Nationalgalerie in Berlin von Frauen. Nach welchen Kriterien wird so etwas entschieden, fragt man sich da. Ist es so, wie der Auktionator Robert Ketterer in dem schon zitierten Interview sagt, dass es die Qualität sein sollte, die bestimmt, wer im Museum hängt? Er spricht sich in dem Zusammenhang deutlich gegen eine Quote aus. Das würde doch dann aber im Umkehrschluss bedeuten, dass die Kunst von Frauen derzeit qualitativ minderwertiger ist, als die von Männern. Eine Annahme, die so absurd wie falsch ist.

Wie die Künstlerin Ines Doleschal in einem Blogbeitrag ganz richtig bemerkt, geht es weit weniger um Begabung oder mangelnde Qualität. Sie schreibt: „Den größten Einbruch erleben Frauen in und nach der so genannten Familienphase. Kunst und Kinder scheinen nahezu unverträglich – der Kunstmarkt fordert und fördert den unabhängigen, flexiblen, mobilen, verfügbaren und netzwerkenden Kunstschaffenden. Stipendien und Auszeichnungen, Ausstellungen und Förderungen gehen deshalb hauptsächlich an männliche Künstler, weil sie viel häufiger diesen Kriterien entsprechen.“

Ist es nicht unglaublich, dass in einer aufgeklärten Gesellschaft im 21. Jahrhundert solche Faktoren immer noch eine Rolle spielen? Dass Frauen sich heute wie damals oft von der Gesellschaft vorschreiben lassen müssen, was sich schickt und was nicht? Denn es ist bei weitem nicht so, dass nur Frauen mit Kindern davon betroffen sind. Dass ein langsames Umdenken stattfinden, ist löblich, aber es sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor einem Hindernislauf gleicht, will man sich als Frau in der Kunstszene etablieren. Zu tief sitzt offenbar die Überzeugung, dass Kunst für Frauen doch kaum mehr als Hobbys sein kann. Und ich vermute, dass es noch einen weiteren Aspekt gibt, der den Frauen die Türen zu Galerien und Museen versperrt. Er liegt etwas tiefer und basiert auf Rollenklischees, die immer noch ziehen.

Kunst wohnt Explosivität, etwas Animalischen, Verwegenes, Verruchtes inne. Sich auf einen künstlerischen Prozess einzulassen, sich hinzugeben – all das scheint für viele auch heute noch nicht angemessen für eine Frau. Für die heilige Mutter, die am Herd zu stehen und Kinder zu erziehen hat. Sie sollte Beiwerk, nicht Zentrum sein. Gleichwohl erzeugen Frauen, die sich darum nicht scheren, Angst. Übrigens nicht nur bei Männern, sondern auch bei vielen Frauen. Diese Künstlerinnen unsichtbar zu machen, ist ein Weg, die Angst vor dem Verlust der eigenen Deutungshoheit unter Kontrolle zu halten.

Es wird Zeit, das zu durchbrechen.

Veröffentlicht am: 02.11.2019 | Kategorie: Kolumne Jeannette Hagen, Kunst - was sonst noch passiert, Redaktion-Tipp,

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