Reihen, Wiederholung, Variation und das in theoretisch unendlicher Fortsetzung – Das Prinzip der Serie ist in Bernhard Pauls Malerei gleich mehrfach vertreten. Das künstlerische Konzept, die Musik, die der Malerei zugrunde liegt und der zeitliche Aspekt des Herstellungsprozesse, all das ist dem Seriellen verhaftet. Für Bernhard Paul ist die serielle Produktionsweise eine Bildsprache, die er ständig erprobt und erweitert.
Doch gehen wir kurz einen Schritt zurück und blicken auf die Anfänge der seriellen Kunst. Wegweisend für das Prinzip der Serie sind Claude Monets Studien des Lichts. Die Faszination der Lichtverhältnisse bei den Impressionisten war der Startpunkt der seriellen Malerei. Erst seit Monets Studien von Kathedralen und Heuschobern auf den Feldern wurde der Malprozess systematisch in Serien gegliedert.
Auch die nachfolgenden Künstler der klassischen Avantgarde befassten sich mit der Funktion der Serie. Pablo Picasso, Robert Delaunay, George Braque, Wassily Kandinsky und Piet Mondrian fanden im Produktionsprozess der seriellen Malerei eine neue Formsprache, die die abstrakte Malerei hervorbrachte. Es war ein systematisches Erforschen, ein Hinterfragen des Bildbegriffs, das eine gänzlich neue Blickweise auf die Kunst hervorbrachte.
Vergleichbare Prozesse fanden in der Musik ab 1910 statt. Ähnlich wie die serielle Malerei etablierte Werte der Ästhetik in Frage stellte, brachten die Strömungen der sogenannten „Neuen Musik“ eine Neuorientierung der musikalischen Sprache hervor. Durch die schrittweise Aufgabe der Dur-Moll-Tonalität bis hin zur Zwölftonmusik brach die Neue Musik mit dem harmonischen System. Dissonanz, Mehrstimmigkeit und eine radikal neue Ästhetik waren die Folge.
Bernhard Paul nimmt die „Neue Musik“ als Grundlage seiner Kunst und konzipiert aus diesem Einfluss Malvorgänge. Die ständigen Wiederholungen, Konstanten und Unterbrechungen bringt Paul als Abfolge von Pinselstrichen und rhythmischen Duktus auf die Leinwand. Mit diesem Verfahren erzeugt der Künstler Ergebnisse wie die Komponisten: Klang, Mehrstimmigkeit, Dissonanz.
In den Serien „modus“ und „modulation“ orientiert sich der Künstler an den Werken des deutschen Komponisten Wolfgang von Schweinitz. Die seriell strukturierte Produktion wiederholt immer gleiche Pinselstriche, die aneinandergereiht und sorgfältig geschichtet werden. Die Farben werden einzeln nebeneinander aufgetragen. Es ist ein System mit fein nuancierte Veränderungen, Überlappungen und Farbvariationen, das Noten, Takt und Rhythmus entspricht. Der Verlauf des Malens wird sichtbar, das zweidimensionale Bild wird durch eine dritte, zeitliche, Dimension ergänzt. Pauls Vorgehensweise führt so zu einem Bildergebnis, das mehr ist, als die reine Visualisierung der gehörten Musik. Es geht um die Offenlegung des Malprozesses.
Mal sind es radikale musikalische Experimente wie die Kompositionen von John Cage für das präparierte Klavier, die maßgeblich für Pauls Arbeiten sind, mal sind es die minimalistischen Werke von Steve Reich. So bezieht sich zum Beispiel die Arbeit „sevenlines“ mit zarten, transparenten Farben auf die musikalische Arbeit von Steve Reichs „Eight Lines“ mit Flöten und Percussion. Auch in der neuen Werkgruppe „softfacades“, bei der der amerikanische Komponist Philip Glass musikalischer Pate ist, wird die Bewegungsdynamik des rhythmischen Pinselstrichs vordergründig. Im Gegensatz zu den dominanten, prominent platzierten Pinselstrichen der vorherigen Serien, sind diese Bilder von einer extremen Vielschichtigkeit und einem engeren Farbspektrum bestimmt. Die gewählten Formate unterstützen das Ausschnitthafte der Bilder und lassen sie dadurch innerhalb der Serien zueinanderfinden.
Man könnte Bernhard Pauls Bilder als gemalte Kompositionen, als verbildlichte Musik, verstehen, doch damit würde man seiner Malerei nicht gerecht. Es ist mehr als das. Die strikte Gleichförmigkeit und systematische Malweise erzeugt beim Betrachter eine Irritation, eine Überforderung in all der Klarheit der Formensprache. Wenn sich die einzeln aufgetragenen Farben im Auge des Betrachters vermischen, die Linien, Wiederholungen und Reihen als Ganzes betrachtet werden, dann entsteht ein Flimmern, das alle Sinne befällt. Die Farbflächen der einzelnen Werke erscheinen mehrdimensional und schwellen als Serie zu etwas Größerem an.
polyphonia
21. April – 01. Juni 2017
Galerie Anna25
Schönleinstr. 25
10967 Berlin