Nicole Monteran. Träumen und Kämpfen. Mauerfall und Einheit bedeuteten nich nur für die Stadt Berlin, sondern für uns alle eine Zeitwende. Alle mussten ihre Rolle im vereinten Deutschland neu finden.
In ihrer Atelierwohnung in Charlottenburg beschreibt mir Nicole Monteran ihren Lebenslauf, der mit Entdeckungen und Trennungen gespickt ist. Doch diese sensibel Frau hört nicht auf zu träumen und zu kämpfen”, was sich in ihren Werken ausdrückt. Sie selbst stammt aus dem Süden Frankreichs, ist aber ihrem Vater, einem Kameramann, nach Algerien gefolgt. Sie hat an einer Schule der Künste studiert und ist Diplomzeichnerin. Auf der Suche nach Abenteuern kam sie 1967 in Berlin an, angezogen von den Freunden ihres zukünftigen Ehemannes, eines Berliner Jurastudenten.
Nachdem sie in Nikolassee ein Jahr lang Au-pair-Mädchen war, jobbte sie einige Zeit. So fand sie einen Posten bei einer netten kleinen Reklamefirma. Es war jedoch erst nach der Geburt ihres Sohnes Oliver im Jahre 1972, dass sie Wirkich angefangen hat zu malen und Ausstellungen zu machen, erst zu Hause, dann in einem Geschäft. Das war eine schwierige, aber lehrreiche Zeit: “Deutschland hat mir beigebracht, Dinge gründlicher zu machen.” Ihre Persönlichkeit entwickelte sich zur gleichen Zeit, wie sich ihre Leinwand vergrößerte. Während sie Malerei und Design unterrichtete, experimentierte sie mit neuen Techniken und diversen Materialien, mit Fotografien, Malerei auf Fensterläden, Kollagen mit Fischschuppen oder Sand. Mosaiken, Arbeiten auf Papier, Masken, Kunstbüchern und vielem mehr.
Sie hatte mehr und mehr Ausstellungen, vorwiegend in Berlin, in Frankreich und in den USA, zu denen sie eine enge Verbindung hat, da ihr Großvater als Kameramann für Pathé gearbeitet hat und ihr Vater dort geboren ist. Berlin aber hält eine besondere Position inne in den Werken von Nicole Montéran, die meint, es sei der beste Ort, um die Unterschiede zwischen Ost und West zu beobachten und kennen zu lernen. “Berlin vermittelt den Eindruck einer Konvulsion: Man ist im Zentrum aller Ereignisse.” Ihre Fotografien und Ölgemälde zeichnen so auch die Änderungen mit, die in Berlin geschehen sind seit dem Fall der Mauer, die sie am Pariser Platz sowohl bemalt als auch mit einem Mosaik verkleidet hat, ein Teil, das aber leider beim Abbruch der Mauer mit zerstört worden ist. Sie auch auch ein großes, symbolisches Straßenpflaster-Kunstwerk geschaffen, mit dem Titel “Alle brauchen Märchen”, welches auf einer Seite den Berliner Bären zeigt.
Nicole Monteran
Malen hilft mir zu verstehen. Ich spaziere mit aufgestellten Ohren, großen, geöffneten Augen durchs Leben, neugierig auf alles und offen für alle. Ich mag etwas oder auch nicht, aber ich versuche immer hinzusehen und zuzuhören. Ich kam am 31.12.1942, inmitten eines grausamen Krieges, auf die Welt. Die Brust meiner Mutter kümmerte mich also mehr als der eilende Nazismus und diese Zeit muss mich geprägt haben… Meine Kindheit war weich, so zart zwischen den Düften der Orangenbäume und den arabischen Feldern Algeriens. Dieses Wort „Algerien“ ruht in mir und erweckt heute eine hoffnungslose Nostalgie. Meine kleine Schule, meine arabischen, spanischen und französischen Freunde, wir lebten friedlich in großer Freiheit, erfüllt und immer auf gut Glück. Dann kam die schnelle Abreise nach Paris, weil mein Vater spürte, dass der Krieg sich anbahnte. Paris und sein „Banlieue“ im Norden und sein Duft nach Kohlköpfen. Das Grau, die Enge, blaue Schuluniform mit weißem Kragen, schlecht in der Schule, aber gut in Kunst. Es kam die Zeit der „Dekorativen Kunst“. Nizza und seine „galets“ mit seinen „pan banias“ und ich mit meinen 20 Jahren, die mir das Gefühl gaben, alle Macht der Welt zu besitzen. 1967, mein Diplom unter dem Arm, alle Brücken hinter mir abreißend, ging ich nach Berlin. Diese Stadt zog mich an, eine Insel, meine Insel. Dort war es, wo ich lernen würde, vielleicht zu verstehen, was es nicht zu verstehen gab. Nicole Monteran.
Beitragsbild: “Run auf den Osten” (Detail), 1990, Nicole Monteran, Acryl und Öl auf Rollo, 225×138 cm
Datum: 13.10.2017 – 23.11.2017