Fortschritt ist etwas Wundervolles. Besser noch: Fortschritt kann etwas Wundervolles sein, denn nicht alles, was fortschrittlich daherkommt, dient dem Menschen oder der Gesellschaft…
Oft vereinzelt Fortschritt uns, trennt und entfremdet uns. Wenn es um die großen Fragen der Zukunft geht, ist der Fortschritt manchmal nicht der beste Ratgeber, vielmehr hilft uns ein Blick zurück in die Vergangenheit, um etwas neu zu entdecken, das schon immer da war und das nur darauf wartet, genutzt zu werden.
Das war jetzt ein ziemlich kryptischer Einstieg, der gleich klarer wird, wenn ich Dich virtuell einlade, mit mir ein bisschen in der Zeit zurückzureisen und einen Blick auf das Denken von Friedrich Schiller zu werfen.
„Kunst ist der Anfang aller Kultur und ihre letzte höchste Vollendung. Ihre einzige rechte Triebkraft ist die Liebe zum Menschentum.“ (Friedrich Schiller)
In der Abhandlung „Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen“ aus dem Jahre 1795 öffnet Schiller uns seinen Blick auf Schönheit und Kunst und es lohnt sich, seine Perspektive einzunehmen und mit seiner Brille auf unser Heute und unsere Zukunft zu schauen. Die Briefe wurden geschrieben, während die Französische Revolution die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse radikal änderte. Diese Situation ist natürlich nicht mit unserer heute vergleichbar und trotzdem gibt es Parallelen, denn es braucht wahrscheinlich einen radikalen Wandel, wenn wir die Zukunft der Menschen nicht aufs Spiel setzen wollen.
Schiller drückt in der Abhandlung, die in Briefform verfasst ist, nicht nur seine Wertschätzung für die Kunst aus, sondern sieht in ihr sogar eine friedliche Alternative zur Revolution. Grundlage seiner Überlegungen ist unter anderem, dass Kunst und Kultur die Moral in uns wecken.
„Es gehört also zu den wichtigsten Aufgaben der Kultur, den Menschen auch schon in seinem bloß physischen Leben der Form zu unterwerfen und ihn, soweit das Reich der Schönheit nur immer reichen kann, ästhetisch zu machen, weil nur aus dem ästhetischen, nicht aber aus dem physischen Zustand der moralische sich entwickeln kann.“
Es reicht für ihn nicht, dass die Menschen aufgeklärt sind – ein Punkt, den wir auch heute entdecken können. So wissen wir alle um die Gefahren, die der Klimawandel birgt. Sind die Kippunkte erst überschritten, gibt es kein zurück. Es mangelt uns also nicht an Wissen. Für Schiller braucht es die Erfahrung des Schönen, damit die Menschen die Werte Freiheit und Autonomie verinnerlichen, ihren moralischen Pessimismus ablegen und sich stattdessen für das Gemeinwohl einsetzen.
„Ich hoffe, Sie zu überzeugen, dass diese Materie weit weniger dem Bedürfniss als dem Geschmack des Zeitalters fremd ist; ja, dass man, um jenes politische Problem in der Erfahrung zu lösen, durch das ästhetische den Weg nehmen muss, weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit wandert.“
Wandern wir mit.
Quelle der Zitate: www.friedrich-schiller-archiv.de