Die Ausstellung Next Wave bringt Werke und Projekte einer neuen Generation von saudischen Künstler:innen zusammen und berührt dabei Themen wie Umwelt, Technologiekritik, Determinismus, Zugehörigkeit, Aufarbeitung von Erinnerungen und die Begegnung mit urbanen Räumen. Die gezeigten Werke stellen den Höhepunkt der intensiven künstlerischen Entwicklung und Auseinandersetzung der jeweiligen Stipendiat:Innen aus den Jahren 2021 und 2022 dar. Sie vereinen die der praxisorientierten Förderprogramme: das Masaha Residency Programm und das BAI Residency Program des Berlin Art Institute – die Gewicht auf die Bedeutung von kritischer Praxis und Forschung legen. Die Ausstellung zeichnet das Aufeinandertreffen der Stipendiat:innen innerhalb des Ausstellungsraums nach. Der Titel der Ausstellung Next Wave spielt dabei auf Avantgarde und Neuland an. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Werke und Projekte der Künstler:innen, wobei die entscheidende Rolle der Erforschung und der Dokumentation zukommt.
Abdulmohsen Albinalis (*1988 in Saudi-Arabien, lebt und arbeitet in London) facettenreiche Arbeit hat ihre Wurzeln im Garten. Er ist ein interdisziplinärer Künstler und setzt recycelte Materialien und Narrative ein, mit denen er den Betrachter einlädt, darüber nachzudenken, wie unsere natürliche Umwelt den menschlichen Einfallsreichtum und dadurch die menschliche Kreativität stimuliert und somit im Laufe der Zeit zur Bildung komplexer sozialer Strukturen und Glaubensvorstellungen beiträgt. Durchdringt der Diskurs unser Verständnis von und unsere Interaktion mit der Natur? Albinali lädt uns zum Nachdenken über diese Problematik ein und geht sogar so weit, dass die Unterscheidung zwischen „uns“ und der „Natur“ in Frage gestellt wird.
Durch eine multisensorische Herangehensweise und um Forschung darzustellen, hat Abeer Sultan (*1999 in Saudi-Arabien, lebt und arbeitet in Riad) eine eigene visuelle Symbolik geschaffen, die eine globale Erfahrungen mit dem Tod wiedergibt. Geprägt von altägyptischen, mediterranen und arabischen Ritualen rund um das Sterben initiierte Sultan einen Prozess, bei dem sie neue Symbole mit traditioneller Symbolik vermischt. Sultan lädt in ihrer Videoarbeit mit dem Titel Al Bidaya (der Anfang) den oder die Betrachter:in dazu ein, nachzufragen, was der Tod im digitalen Zeitalter bedeutet.
Bashaer Hawsawis (*1992 in Saudi-Arabien geboren, lebt und arbeitet zwischen Mekka und Dschidda, Saudi-Arabien) zeigt in der Ausstellung eine Installation mit dem Titel Eat Sand; I don’t Eat You, Ihr künstlerisches Schaffen hat das Paradox der sozialen Ungleichheit zum Thema. Von den Kuchen aus Schlamm, die Haitianer:innen infolge des Erdbebens von 2010 essen mussten, bis hin zu den üppigen Grünteefarmen in China: Hawsawi bringt die oder den Betrachter:in über den widersprüchlichen Stand der Dinge, der seit jeher der Fall ist, zum Nachdenken.
Fatma Abdulhadis (*1988 in Saudi-Arabien geboren, lebt und arbeitet in Riad) Werk ist eine Reflexion über Transformation und Kollektivität, die sich von singulären Darstellungen löst. Die temporäre Gültigkeit von Identität ist ein grundlegender Bestandteil ihrer Kunst. Die Prozesse bei der Herstellung von Drucken ermöglichen es ihr, diese Aspekte näher zu untersuchen und zu hinterfragen. Was heißt es, zu Hause zu sein? Was bedeutet Zugehörigkeit? Ist es das Zurückverfolgen der persönlichen oder der kollektiven Geschichte?
Hana Almilli (*1996 in Saudi-Arabien, lebt und arbeitet in Riad) verknüpft diese Fäden in ihrem Werk (Through the earth, I come back home), das bis zu ihren Vorfahren zurückverfolgt werden kann: Sie setzt in ihrer Installation sowohl alte Fotografien als auch Webarbeiten und traditionelle Färbetechniken ein, unter Verwendung von Materialien, die aus dem Boden stammen, auf dem ihre Vorfahren einst standen – auf dem die Künstlerin jetzt steht.
Sara Khalids (*1996 in Saudi-Arabien, lebt und arbeitet in Dhahran, Saudi-Arabien) Arbeit wirft ein Licht auf die kulturelle Voreingenommenheit von Technologie, die aus der Dominanz einer Sprache gegenüber anderen resultiert. Ihre Arbeit ist ein Versuch sich eine neue Zukunft vorzustellen, in der Algorithmen und technische Geräte Geschichten und Gedichte erzeugen können, in der der Code der digitalen Welt selbst Arabisch ist. Durch eine fächerübergreifende Kombination zwischen Materialität und Forschung ermuntert ihre Arbeit uns über die subtile und gleichzeitig tiefgreifende Macht der Struktur von Sprache nachzudenken.
Yousef Almana (*1997 in Saudi-Arabien geboren, lebt und arbeitet in Philadelphia, USA) sieht in Riads Architektur einen Ausdruck des Schicksals der Stadt. Er behauptet, dass das Stadtbild von Almalaz, einem Bezirk Riads, eine direkte Reinterpretation von Constantinos A. Doxiadis ‘Ekistik’ ist. Almana schlägt vor, dass diese von außen importierten architektonischen Systeme die Bevölkerung der Stadt auf eine nicht leicht zu begreifende Art und Weise beeinflusst haben. Ferner deutet sein installatives Werk mit dem Titel Perpetual Monochrome an, dass unser Leben, unsere Entscheidungen und unsere Beziehungen determiniert sind – die fortwährende Eintönigkeit eines vorgegebenen Lebensstils.
Die Arbeit Ziad Kakis (*1993 in der Schweiz, lebt und arbeitet in London) nimmt psychologische Spannungen und körperliche Entstellungen ins Visier. Inspiriert von klassischer Mythologie und Stücken aus dem Museum erwecken die skulpturalen Elemente seiner malerischen Werke, gepaart mit ihren dunklen und lebhaften Farben, das Gefühl eines ahistorischen, visuellen Widerspruchs.
Nada Alturki ist Journalistin und Schriftstellerin, deren Schreiben soziale Konstruktionen und gesellschaftliche Probleme in den Mittelpunkt rückt.
„Die Kunstszene, wie wir sie kennen, befindet sich inmitten einer Revolution. Zu einer Zeit, da wir verlorene Kunst wiederentdecken und weltweit auf aufstrebende Künstler:innen aufmerksam werden, ist die Ausdehnung von Kunst und die dazugehörige Verlagerung des Augenmerks unvermeidlich. Es schafft eine Welt, in der Kunst und Künstler:innen gleichermaßen nicht nur als Namen und Kunstwerk an einer Wand gesehen werden, sondern auch als Narrative, die Diskurse, Fragen und soziale Interaktionen provozieren – und darin liegt der wahre Wert von Kunst. Wenn wir uns zu fragen beginnen, warum wir eher Zugang zu bestimmten Narrativen haben als zu anderen, schließen wir die Lücke zwischen unseren Kulturen und erlauben, dass die Wahrheit der Modernität bestimmt, wie wir mit der Welt um uns herum interagieren.“
Nada Alturki, aus: Ein Brief der Residence-Autorin, Ausstellungskatalog Next Wave, 2022.
Am 15. September findet in der Ausstellung von 18-20 Uhr eine Podiumsdiskussion statt, in der die Künstler:innen sich über ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit den Stipendienprogrammen des Misk Art Institute austauschen und über die Rolle von Kunst als Brücke zwischen den Kulturen diskutieren. Das Berlin Art Institute wird als Partner des Misk Art Institute vorgestellt. Am 16. September lädt das Misk Art Institute von 18-20 Uhr dazu ein, bei Oud-Musik und saudischem Kaffee mit den ausstellenden Künstler:innen ins Gespräch zu kommen.
Die Ausstellung ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Misk Art Institute und dem Berlin Art Institute.
Beitragsbild: MAI – 4, courtesy of Berlin Art Institute
Next Wave
14.09.2022 – 14.10.2022