Es war das Bekenntnis zur “Flatness“, zur prinzipiellen Flächigkeit des Mediums Bild, das der amerikanische Kritiker Clement Greenberg in den Nachkriegsjahrzehnten von aller avancierten Malerei forderte und das seinen fernen Nachhall noch in den Gemälden von Markus Weggenmann findet. Denn auch seine Bilder inszenieren eine souveräne Flächenkunst in der Räumlichkeit, die allenfalls noch in der Schwundstufe von Formüberlagerungen anzutreffen ist.
Diese dezidierte Zweidimensionalität manifestiert sich nun in den neuen, aktuell in der Galerie Taubert Contemporary ausgestellten Arbeiten, gleich in doppelter Weise. Zum einen verweigern die hoch abstrahierten Gemälde jede perspektivische Raumerschließung – alle Farbformen scheinen scherenschnittartig auf einer Ebene zu liegen – und zum anderen konfrontieren sie den Betrachter mit einer absolut planen (fast “fotografischen“) Oberfläche, in deren Gestaltung der Künstler sowohl auf das Relief des Farbauftrags als auch auf jede Form von “Handschrift“ verzichtet. Entsprechend fehlt diesen Werken auch alles Bekenntnishafte, vordergründig Subjektive, und so sind sie, von ihrem Entstehen her betrachtet, auch angelegt. Sie basieren auf kleinformatigen Gouachen, freien Farb-/Formstudien, die später eingescannt, am Computer modifiziert und schließlich ins große (oder, neuerdings, miniaturhaft kleine) Bildformat übertragen werden. Glatt und neutral treten sie uns dann gegenüber, getragen von der Strahlkraft der homogen aufgetragenen, hoch pigmentierten Leimfarben, die den Bildern eine absolute Präsenz verleihen: Malerei verbirgt hier nichts, suggeriert nichts Hintergründiges, sie ist ganz bei sich, ganz Erscheinung und Kraft die den Raum beherrscht.
Träger dieser Energien ist, wie gesagt, die Farbe, als nicht minder relevant erweist sich aber die kompositionelle Spannung, die Weggenmann seinen Gemälden verleiht. Erstaunlich ist die Varianz, mit der er die Farbformen untereinander verzahnt, sie auf der Fläche in eine Wechselbeziehung bringt und seiner Malerei dadurch die gewünschte Vitalität verleiht.
Faktisch ist sie ganz an die Bilderscheinung gebunden, doch wäre es ein Fehler Weggenmann in die Schublade der “konkreten Kunst“ zu schieben. Bei aller ästhetischen Selbstgenügsamkeit dokumentiert sich nämlich in den durchweg organischen Formen seiner Bilder ein sublimer Naturbezug, der sich gelegentlich sogar im Motivischen konkretisiert. Ein Beispiel hierfür bietet LW 439 aus dem Jahr 2022, das gleich einem Vexierbild zwischen abstrakter Komposition und Motivmalerei (Tulpenstillleben?) changiert. Man könnte meinen es handele sich um eine Stilllebenmalerei im Geiste der Pop-Art, doch vermute ich, dass Weggenmann Matisse nähersteht als Warhol. Zu denken wäre etwa an die späten Decoupagen des französischen Altmeisters, die in den Monstera Motiven von LW 406 bzw. LW 421 (beide von 2022) nachklingen. Doch ist das beileibe nicht die einzige Gemeinsamkeit. Wie Matisse hat nämlich auch Weggenmann keine Scheu, sich zum Sensualismus, zur Sinnlichkeit in den Künsten zu bekennen. Die steht momentan, im Zeichen eines omnipräsenten, oft politisch motivierten Konzeptualismus, sicher nicht allzu hoch im Kurs, doch bildet sie historisch betrachtet fraglos eine Grundlage für die Gattung, die hier zur Debatte steht – die immer junge, strahlende und wirkmächtige Malerei.
– Christoph Schreier
Markus Weggenmann *1953 geboren in Singen/Hohentwiel, Deutschland lebt und arbeitet in Zürich und Lumnezia, Schweiz
Markus Weggenmann
13. September 2023 – 4. November 2023