Neulich gab es im Monopol Magazin ein Interview mit Peter Weibel. Er ist künstlerischer Direktor des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe und wurde in dem Interview zu seiner Haltung in Bezug auf die durch Corona bedingte Verlagerung der Kunst ins Netz befragt. Seine Antworten haben mich schon überrascht, wenn er zum Beispiel davon spricht, dass die Nähe in Museen nur eine Fiktion sei, die jetzt zu Ende geht, dann ist das schon ein Statement. Überhaupt deckt sich da mein Gefühl, dass es immer noch etwas ganz Besonderes ist, etwas live zu erleben, nicht mit seiner Aussage, dass das virtuelle das reale Ereignis schon längst dominieren würde.
Nun gut, hier bringt er seine sehr persönliche Sicht auf die Dinge rein, er beschreibt ja auch, dass er gar nicht scharf darauf war, die Beatles live zu erleben. Diese Haltung kann ich überhaupt nicht teilen. Vor Ort zu sein, die Atmosphäre aufzunehmen, das ganze Drumherum an die Musik oder das Theaterstück zu koppeln, macht für mich einen großen Teil des Erlebens aus. Ich habe während des Shutdowns einige Theaterstücke gestreamt, aber das war einfach nicht dasselbe, wie in einem Theater zu sitzen, die unterdrückten Huster zu hören, all die anderen Nebengeräusche – das hat etwas Sinnliches, was ich virtuell nicht so erfahre. Wer hier öfter vorbeischaut, wird sich an meine Freude erinnern, als ich das erste Mal nach langer Zeit wieder im Deutschen Theater sitzen konnte.
Weibel bezeichnet das als „Entzugserscheinungen“. Seine Worte: „Die Menschen standen unter dem Einfluss der Droge “Nähe”, die plötzlich abgesetzt wurde. Und jetzt hauen sie sich noch einmal eine Dosis dieser toxischen Atmosphäre rein. (…) Wir müssen begreifen, dass nicht Nähe das Heilmittel für die Kultur ist, sondern Distanz – also telematischer Kulturgenuss.“ Kann man, muss man aber nicht so sehen.
Und trotzdem verändert sich etwas, wird der Trend, das Reale ins Virtuelle zu holen, sich nicht aufhalten lassen. Bestenfalls wird es eine Mischung aus allem. Fragen wir doch mal Romy Campe, die Gründerin und Geschäftsführerin von Kunstleben Berlin:
Liebe Romy, im Shutdown sind viele Angebote ins Netz gewandert. Meinst Du, das hat Zukunft? Üben virtuelle Galerien eine ähnliche Zugkraft aus, wie analoge?
Campe: „Ja das hat Zukunft. Wir von Kunstleben Berlin machen uns gerade sehr viele Gedanken dazu. Auch bei uns wird sich diesbezüglich einiges ändern. Wir schaffen neue, digitale Angebote für Galerien und Künstler.
Allerdings wird ein persönliches Erleben von Kunst immer notwendig sein. Wegen des Austauschs, der Haptik, des Gefühls… Aber einige Formate brauchen auch das nicht mehr unbedingt – Stichpunkt digitale Kunst, VR, AR, Video, ect.“
Hast Du es vermisst, für KLB aktiv unterwegs zu sein oder könntest Du Dir vorstellen, dass zukünftig eher digital zu gestalten?
Campe: „Ich habe es vermisst, freue mich aber auch über die Möglichkeit der digitalen Erkundung. Nach wie vor sind unsere analogen Projekte sehr wichtig für uns: Kunstspaziergänge, Interviews, also persönliche Gespräche und Vernissagen mit Austausch und Kontakt zu anderen Menschen.“
Wenn Museen oder andere große Häuser ihre Angebote mehr ins Netz verlagern, wer soll das nach Deiner Ansicht finanzieren? Soll es so etwas wie eine Paywall geben?
Campe: Große und wichtige Frage. Auch im Journalismus ja nach wie vor sehr aktuell. Hier müssen Formate gefunden werden, die die Konsumenten entlasten, aber auch ganz individuell (also Zahlung nach Bedarf, auch mal einen einzelnen Artikel kaufen, wie im Journalismus) einbinden. Paywall könnte eine Möglichkeit sein. Aber auch Abos oder die Finanzierung über Werbepartner, staatliche Stellen oder Kunstvermarkter.
Vielen Dank!
Hier das Interview mit Peter Weibel: Monopol Magazin