Sicher ist die Meldung, die vor ein paar Tagen per Pressemitteilung herausgegangen ist, bei den Wenigsten angekommen. Kaum eine Zeitung hat sie aufgegriffen – dabei ist das Thema nicht nur für Künstler*innen interessant, denn schließlich geht es um nichts Geringeres, als um die Umgestaltung unseres Sozialsystems.
Der Streit darum, wie viel Staat eine Demokratie braucht und wie viel sie aushält, ist gerade jetzt, da die Wahlen anstehen, wieder präsent. Während die einen mehr Freiheit fordern, wünschen sich andere Regulierung. Wo liegt da das richtige Maß? Dass der Markt eben doch nicht alles regelt, vieles aus dem Ruder läuft und soziale Ungerechtigkeiten zunehmen, haben uns die Monate der Pandemie eindrucksvoll gezeigt. Zeit zu handeln, dachten sich einige.
Und so haben sich Zivilgesellschaftliche Organisationen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) zusammengetan und fordern die Politik in einem bundesweiten Aufruf dazu auf, die Weichen für einen grundsätzlichen Kurswechsel zu stellen, den Sozialstaat zu stärken und auszubauen sowie erheblich in die notwendige Umstrukturierung von Wirtschaft und Gesellschaft zu investieren.
Dazu erklärte Hans-Werner Meyer vom Bundesverband Schauspiel BFFS:
„Die Kultur- und Kreativindustrie ist die zweitgrößte in diesem Land, aber sie ist kleinteilig und wird getragen von Menschen mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Da gibt es nicht die eine dominierende Firma, die man mit einem Milliardenzuschuss retten könnte, sondern viele kleine Institutionen und Firmen, die still verschwinden, wenn sie nach der Krise nicht deutlich stärker gefördert werden als bisher“.
Grundsätzlich geht es aber um mehr, als um die Förderung von Künstler*innen und Kulturschaffenden. So steht im Aufruf:
„Wir fordern eine Abkehr von der Schuldenbremse, mehr Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit, eine konsequente Verfolgung von Steuerflucht und -umgehung sowie den Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen, um die gesellschaftlich notwendigen Veränderungen finanzieren zu können.“
Dazu verlangen die Unterzeichner*innen eine bessere – sprich gerechtere Umverteilung des Reichtums und den krisenfesten Ausbau des Sozialstaates, Gemeinwohl vor Profit, um die Krisen der Zukunft zu bewältigen. Dass die Reichsten nach wie vor steuerlich wenig belastet werden und Deutschland quasi eine Steueroase für Erben ist, steht ebenso in der Kritik, wie die Politik der Deregulierung und Privatisierung. Also insgesamt mehr Verantwortung für den Staat, damit die Bürger*innen, die nicht zu den Krisengewinner*innen gehören, entlastet werden.
Da der Aufruf erst den Beginn einer ganzen Veranstaltungsreihe zu den Themen „soziale Gerechtigkeit“ und „neues Wirtschaften“ kennzeichnet, bleibt zu hoffen, dass die Forderungen und das Engagement der Aufrufenden mehr Gehör finden und sich eine breite Öffentlichkeit an der Debatte darüber beteiligt.
Hier der Aufruf im Wortlaut: