Vom 2. bis zum 10. März ist die Installation „Lifelines“ der renommierten japanischen Installations- und Performance-Künstlerin Chiharu Shiota auf dem Alexanderplatz zu sehen.
Ihre eigens für den Themenwinter „100 Jahre Revolution – Berlin 1918/19“ geschaffene Installation aus roten Fadengespinsten verwandelt den zum mobilen Lernort umgebauten historischen Möbelwagen in einen Begegnungsraum von Revolution und Kunst. Das Innere des hundertjährigen Wagens präsentiert sich nun als dichtes rotes Fadengeflecht, in dem täglich eine Performance stattfindet.
Nach Stationen am Marstall, Podewil, Breitscheidplatz und Potsdamer Platz kehrt der Möbelwagen zum Abschluss seiner Berlinreise auf den Alexanderplatz zurück. Der umgebaute, 100 Jahre alte Möbelwagen – ähnliche Wagen wurden in der Revolutionszeit als Straßensperren verwendet – lädt zur Auseinandersetzung mit der Geschichte im öffentlichen Raum an den Originalschauplätzen der Revolution ein. Der Alexanderplatz steht sowohl für den Anfang als auch das Ende der Revolution 1918/19 in Berlin: Die Revolutionär*innen stürmten hier am 9. November 1918 das Polizeipräsidium, setzten einen neuen Polizeipräsidenten ein und befreiten die politischen Gefangenen. Umkämpft blieb der Ort praktisch während der gesamten Revolutionszeit. Und hier begann schließlich auch der Anfang vom Ende der Revolution mit den blutigen Auseinandersetzungen im März 1919, als Regierungstruppen erneut militärisch gegen Aufständische vorgingen. Von hier aus verlagerten sich die Kämpfe in den Osten der Stadt, wo Regierungstruppen nicht nur schwere Kriegswaffen einsetzten, sondern auch schreckliche Massaker verübten. Nach offiziellen Angaben waren 1.200 Tote die Folge – die meisten davon völlig Unbeteiligte.
Am Montag, den 4. März, findet am Möbelwagen, in der transparenten Architektur der Künstlergruppe Plastique Fantastique, die „Talkshow aus der Zukunft“ statt. In der letzten Ausgabe geht es um politische Teilhabe und gesellschaftliche Gerechtigkeit. Es diskutieren u.a. der Historiker Ralf Hoffrogge, Adrienne Goehler (Initiative „1.000 Euro für Jeden“), die Wissenschaftlerin Britta Ohm und Dirk Linder (IG Metall). Die „Talkshow aus der Zukunft“ ist Teil der Veranstaltungsreihe „Die Woche beginnt mit Revolution!“. Bis zum offiziellen Ende des Themenwinters Mitte März finden noch zahlreiche Veranstaltungen statt und einige der bereits eröffneten Ausstellungen laufen bis einschließlich Mai. Seit November 2018 erinnert das stadtweite Gemeinschaftsprojekt “100 Jahre Revolution – Berlin 1918/19” an die Ereignisse der Revolution vor 100 Jahren, die zur ersten deutschen Demokratie führten. Mehr als 60 Partner realisieren in den fünf Monaten des Themenwinters über 250 Ausstellungen und Veranstaltungen und zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven, dass aktuelle politische Debatten und heutige Herausforderungen der Demokratie ungeahnt tief in der Revolutionszeit wurzeln.
Zur Künstlerin Chiharu Shiota
Chiharu Shiota ist eine international gefeierte Künstlerin mit Ausstellungsbeteiligungen auf zahlreichen Biennalen (u. a. 2015 im Japanischen Pavillon der Biennale Venedig). In Berlin war sie 2017 mit einer raumfüllenden Arbeit in der Nikolaikirche sowie 2016 vielbeachtet zur Berlin Art Week bei Blain | Southern zu sehen. Sie arbeitet seit 1996 in Berlin und auf der ganzen Welt. Wollfäden sind das Markenzeichen der Künstlerin: Sie spinnt Kleider ein, Betten, Schuhe, verbrannte Klaviere, Schlüssel und manchmal auch sich selbst. Erinnerung, Heimat, Geburt und Tod sind die großen Themen, die sie in ihren Installationen und Performances anspricht.
Zur Installation und Performance „Lifelines“
Mit zwei Menschen, die unbeweglich innerhalb eines roten Netzes sitzen, eröffnet Chiharu Shiota einen großen Assoziationsraum. Gedankliche Anknüpfungspunkte und Interpretationsangebote gibt es viele, aber die Künstlerin gibt in ihren Installationen keine Lesart vor. Jede*r Besucher*in wird für sich selbst beantworten, was die Installationen auslösen. Verweist sie mit der Verdinglichung der Performer*innen auf die Wichtigkeit der vor 100 Jahren erworbenen Rechte? Schauen die gegenwärtigen Besucher*innen durch die Fäden zurück in die Vergangenheit? Sitzen die Performer*innen mit dem Rücken zueinander, weil sie zwei Fronten angehören? Die Künstlerin selbst sieht in den Verknotungen Ereignisse wie auch Beziehungen auf unterschiedlichen Ebenen.
Installation täglich von 11 – 20 Uhr, Performance täglich von 15 – 17 Uhr
100 Jahre Revolution – Berlin 1918/19 ist ein stadtweites Gemeinschaftsprojekt der Kulturprojekte Berlin GmbH, realisiert mit über 60 Partnern. Es wird ermöglicht aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.
Weitere Informationen
http://www.100jahrerevolution.berlin