Kolumne von Jeannette Hagen. Braucht es einen Film über Frauen in der Politik? Ich will die Antwort vorwegnehmen. Sie lautet: Ja, unbedingt.
Denn während viele denken, dass nach 16 Jahren Angela Merkel das Thema „Frauen in der Politik“ kein Thema mehr sei, liegt der Gender Pay Gap nach wie vor bei rund 19 Prozent, sinkt der Frauenanteil in den Parlamenten, herrscht offener Sexismus und sehen sich Politikerinnen besonders im Netz zunehmend offenem Hass und Bedrohungen ausgesetzt. Mit diesen Fakten endet der Film „Die Unbeugsamen“ und es ist nicht der einzige Grund, warum wahrscheinlich die meisten Besucher*innen den Kinosaal bewegt, berührt und inspiriert verlassen werden.
In die „Die Unbeugsamen“ nimmt der Biograf und Filmregisseur Torsten Körner uns mit auf eine Zeitreise und erzählt die Geschichte der Politik-Pionierinnen der Bundesrepublik Deutschland. Wobei das so nicht ganz stimmt, denn nicht er erzählt, sondern er lässt die Protagonistinnen erzählen. Damit sind wir schon bei einer besonderen Stärke der Dokumentation, die allein durch ihre Dramaturgie zeigt, was in den Köpfen vieler Menschen offensichtlich immer noch nicht angekommen ist: dass Frauen selbstredend Politik können. Dass sich, wenn man ihnen Raum und Macht gibt, ihnen zuhört, sie ernstnimmt, ihre Fähigkeiten anerkennt, daraus Fortschritt entwickelt. Dass genau diese weibliche Sicht auf die Dinge bei vielen Entscheidungen wichtig wäre. Frauen würden heute noch um die Erlaubnis arbeiten zu gehen, betteln müssen, hätte es nicht jene mutigen Vorreiterinnen gegeben, die in Kauf genommen haben, von Männern ausgelacht, ausgebuht oder sexistisch beleidigt zu werden.
Der Film wäre ein komplett anderer gewesen, hätten Männer über die Frauen geredet. So aber stehen nicht nur die Frauen, sondern steht auch das, was sie ausmacht, was sie von den Männern unterscheidet, im Mittelpunkt. Das ist berührend, aber eben auch schlicht menschlich, denn diese Welt wird zu fast gleichen Teilen von Frauen und Männern bewohnt und es gibt nicht einen einzigen veritablen Grund dafür, Frauen die Fähigkeit abzusprechen, politisch zu denken und zu handeln. Dass das trotzdem bis heute geschieht, ist ein Skandal und eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit. Interessanterweise schafft es der Film auf eine sehr sensible und gleichzeitig gnadenlos direkte Art den Zuschauer*innen die Schärfe dieser Diskriminierung zu vermitteln. Zuweilen geht er bis an die Schmerzgrenze, wenn man die schenkelklopfenden, kindisch lachenden, Anzug tragenden Herren sieht, während die Abgeordnete Waltraud Schoppe von den Grünen 1983 zum Paragraph 218 spricht. An anderen Stellen ist es wieder tragisch komisch, als Hannelore Kohl zum Beispiel auf die Frage eines Reporters, ob sie sich provinziell nennen würde, mehrfach nachhakt, ob er das wirklich so gemeint oder sie sich nur verhört hat und dann knapp antwortet: Nein.
Den Film in seiner Gesamtheit eine Hommage an die großartigen Frauen jener Bonner Republik zu nennen, greift trotzdem zu kurz. Obwohl er würdigenden Charakter hat und die Zuschauer*innen auch durch den Blick auf die Architektur zurück in die Geschichte führt, ist er in meinen Augen äußerst progressiv und mitreißend. Wer nach diesen 90 Minuten noch an der Weltsicht, dass Frauen an den Herd gehören, festzuhalten vermag, dem ist schlicht nicht mehr zu helfen.
Mein Fazit: Ganz großes Kino. Und wirklich ein Film, der auch ins Kino gehört, der erst dann, wenn möglichst viele Menschen diese mutigen und taffen Frauen auf der großen Leinwand gesehen haben, ins Fernsehen sollte.
Am vergangenen Freitag habe ich (90) mit meiner Frau (83) auf Einladung von Sohn (57) und Enkel (16) diesen Film gesehen. JA – unsere Parlamente müssen weiblicher werden. Als FDP-Mitglied seit 1968 habe ich nie die CDU gewählt, aber Angela Merkel war ein Wohltat.
Danke fürs Teilen Wolfang. Herzliche Grüße Romy
Lieber Wolfgang, vielen Dank für Deinen Kommentar und großartig, dass Du den Film im Kino gesehen hast, da wirkt er einfach noch mehr. Viele liebe Grüße, Jeannette