Kolumne: Daliland

Daliland

Kunstleben Berlin Kolumne von Jeannette Hagen. Um es gleich vorwegzunehmen: Wer einen Film über das Schaffen von Salvador Dali erwartet, wer sich Einblicke in seine besondere Technik der Malerei erhofft, den wird der Film enttäuschen. Im Mittelpunkt von DALíLAND stehen nicht die Bilder, nicht die Maltechnik, sondern die späteren Jahre der seltsam erscheinenden und gleichzeitig faszinierenden Ehe zwischen Salvador Dalí und seiner Frau Gala und der Glamour, der sie umgibt.

Entwickelt wurde der Film von Edward R. Pressman (Pressman Film) und David O. Sacks (David O. Sacks Productions). Chris Curling (Zephyr Films) übernahm zusammen mit Pressman und Sacks die Produktion. Im Frühjahr 2021 wurde der Film unter der Regie von Mary Harron, nach einem Drehbuch von John C. Walsh, in Großbritannien gedreht. Pressman selbst sagt über DALÍLAND: „Ich denke, DALÍLAND wird das Publikum durch alle Gefühlslagen führen – man wird lachen, man wird weinen und hoffentlich erkennen, dass Dalí genauso rätselhaft war, wie er es in der Geschichte bleibt. Jeder kennt Dalís Schnurrbart oder die schmelzenden Uhren, aber nur wenige Menschen wissen, wer er wirklich war.“ Dieser Kommentar fasst die Stärke des Films gut zusammen: Als Zuschauer*in erlebt man einen verletzlichen und trotz alledem schillernden Dalí, einen Mann, der in der dritten Person von sich spricht, der immer mal wieder verzweifelt ist, zuweilen verrückt erscheint und den dennoch eine Aura umgibt, der man sich schwer entziehen kann.

Gespielt wird der alternde Salvador Dalí von Oscar®-Preisträger Sir Ben Kingsley, den man aus „Schindler’s Liste“ oder „Gandhi“ kennt, um nur zwei seiner Filme zu nennen. Über seine Rolle sagt er: „„Ich habe Dalí gespielt und so viele herrliche Stunden Filmmaterial von ihm gesehen. Er ist mir schrecklich ans Herz gewachsen und ermutigte mich, über den Tellerrand hinauszuschauen, Risiken einzugehen und die Leidenschaft meines Handwerks anzunehmen, so wie er die Leidenschaft seines Handwerks annahm. Gott sei Dank hatte ich genügend Zeit, um mich auf die Wahrheit zu konzentrieren, die ich in ihm darstellen sollte, aber ich hatte Angst, absolute Angst! Jedoch, irgendwo zwischen Aktion und Schnitt ging die Angst zurück und eine Art Freude machte sich breit, und natürlich wurde die Bedeutung, die Geschichte zu erzählen, größer als die Angst.“

Neben Sir Kingsley brilliert die deutsche Schauspielerin Barbara Sukowa als Dalís Frau Gala – eine schwierige Rolle, gibt es doch, wie Sukowa selbst sagt, wenig Material über sie. Trotzdem gelingt es Sukowa sehr überzeugend, die Rolle der Muse, Beschützerin, Liebhaberin, Antreiberin und Grande Dame zu verkörpern. „Gala hatte großen Anteil an Dalís Erfolg. Ich glaube, er sagte sogar, sie hat ihn gerettet. Er signierte auch einige seiner Werke mit ihrem Namen. Dalí war ein ziemlich verrückter Typ, als Gala ihn kennenlernte. Zu dieser Zeit war sie in einer Beziehung mit dem Schriftsteller Paul Éluard, und sie hatte mit Max Ernst und Éluard in einer Menage a trois gelebt. Als sie Dalí kennenlernte, geschah etwas wirklich Außerordentliches in ihrem Leben. Sie war von ihm sehr fasziniert und verliebte sich in ihn. Sie wusste, dass dies der Mann war, dem sie ihr Leben widmen würde.“, so Sukowa.

Amanda Lear (Andreja Pejić), Dalí (Sir Ben Kingsley) und Gala (Barbara Sukowa), © SquareOne Entertainment
Amanda Lear (Andreja Pejić), Dalí (Sir Ben Kingsley) und Gala (Barbara Sukowa), © SquareOne Entertainment

DALÍLAND wird durch die Brille des jungen Galerieassistenten James Linton (Christopher Briney) erzählt. Er möchte sich in der Kunstwelt einen Namen machen und bekommt die einmalige Chance, dem exzentrischen und launischen Dalí bei den Vorbereitungen für eine große Ausstellung zu assistieren. Und damit führt der Weg direkt zur Glam-Rock-Ära Manhattans der 1970er, in das schillernde DALíLAND, eine von Models, Musik- und Filmstars sowie einer bunten Mischung aus High und Low Society bevölkerten Welt. In ihrem Zentrum der alternde exzentrische Künstler, der alle mit seiner Genialität beeindruckt, und gleichzeitig jene, bereits erwähnte, Verletzlichkeit offenbart.

Der junge Galerieassistent James Linton (Christopher Briney) trifft auf sein Idol, Künstlerlegende Salvador Dalí (Sir Ben Kingsley). © SquareOne Entertainment
Der junge Galerieassistent James Linton (Christopher Briney) trifft auf sein Idol, Künstlerlegende Salvador Dalí (Sir Ben Kingsley). © SquareOne Entertainment

Der Film zeigt immer wieder auch Rückblenden – man erfährt, wie Dalí und Gala sich kennengelernt haben, wie Gala ihn be- und verzaubert und damit sein Schaffen beeinflusst hat. Eine weitere wichtige Frau in Dalís Leben (hier in der Nebenrolle) war Amanda Lear, die in den 1960er und 1970er Jahren Dalís Muse war. Die Regisseurin Mary Harron hatte das Glück, ihr als junge Musikjournalistin in ihren Zwanzigern zu begegnen: „Ich habe Amanda in den späten 70er Jahren in Paris bei der Top Club TV Show interviewt, als sie einen ihrer Disco-Hits präsentierte. Sie hatte eine erstaunliche und überwältigende Präsenz und war außergewöhnlich schön. Es war mir sehr wichtig, eine Schauspielerin zu besetzen, die ebenfalls transsexuell ist. Das Großartige an Dalí war damals, dass er transsexuelle Menschen liebte und feierte, und das muss man würdigen. Ich glaube, er identifizierte sich in gewisser Weise mit jeder Art von Geschlechtsidentitäten.“

Salvador Dalí mit Amanda Lear (Andreja Pejić), seiner Inspiration und langjährigen Freundin. © SquareOne Entertainment
Salvador Dalí mit Amanda Lear (Andreja Pejić), seiner Inspiration und langjährigen Freundin. © SquareOne Entertainment

Trotz der Top-Besetzung und des Potentials, das in Dalís Geschichte steckt, dringt der Film nicht zu dem vor, was er eigentlich erzählen könnte. Was in den ersten 45 Minuten noch fesselt, flacht mehr und mehr ab, ohne dass sich genau sagen lässt, woran es liegt. Vielleicht stimmt zu viel, vielleicht ergibt plus und plus manchmal eben auch minus, jedenfalls bleibt von dem, was zu Beginn Tiefe versprach, zum Ende hin wenig übrig. Sehenswert ist der Film dennoch, allein schon wegen der vielen, wirklich liebevoll bedachten Details.

Der Film ist ab dem 7. September in den Kinos zu sehen.

"

Veröffentlicht am: 11.08.2023 | Kategorie: Kolumne Jeannette Hagen, Redaktion-Tipp,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert