Weshalb macht sich einer die Mühe und imitiert Pressspan? Malend und dazu auf einer Spanplatte, die selbst eine feine Maserung aufweist. Auch wenn Joachim Grommek die Illusion hölzerner Oberflächen längst ebenso virtuos wie effizient erzeugen kann, erstaunt sein konsequenter Wille zur visuellen Nachschöpfung. Es bleibt nicht bei der einen Täuschung. Sowohl die Farbflächen als auch die präzisen Horizontalen und Vertikalen seiner Gemälde wirken wie industriell produziert.
Vergeblich sucht man in seiner neuen Serie „friends & others“ nach einem individuellen Gestus, die Glattheit und Perfektion charakterisiert im Gegenteil Grommeks künstlerische Praxis. Und er verstärkt diesen Eindruck der Verwendung vorgefertigter Folien und Klebestreifen durch die plastischen Eigenschaften seiner Malerei: Selbst die transparenten Streifen, die Tesafilm imitieren und die auf der Spanplatte arrangierten Bildelemente zu fixieren scheinen, wirken wie aufgeklebt. Dass es in seinen Ausstellungen immer wieder Besucher gibt, die ein Stück davon abziehen wollen, unterstreicht die illusionären Qualitäten dieser zeitgenössischen Trompe- l’œils.
Sie schließen das Banale, den vermeintlich lapidaren Einsatz alltäglicher Materialien, mit der Kunstgeschichte kurz und erzeugen irritierende Momente. Trotz der Klarheit ihrer Kompositionen senden die Bilder widersprüchliche Signale. Es ist offensichtlich, dass Joachim Grommek zugleich die malerische Sprache der Avantgarde dekliniert. Der Konstruktivismus eines Kasimir Malewitsch scheint in den Kompositionen ebenso auf wie das strenge Raster und die mit Primärfarben gefüllten Geometrien eines Piet Mondrian oder die jüngere Minimal Art. Es stellen sich Fragen der Appropriation Art, was die Aneignung fremder Werke bis zur kompletten Adaption anbelangt. Schließlich wird an die künstlerische Praxis des Ready-made erinnert: Grommek favorisiert ebenfalls das Objet trouvé, setzt sich zugleich aber von Marcel Duchamp ab, indem er die Situation mit den Mitteln der Malerei rekonstruiert.
Mondrian widmet der Künstler in seiner aktuellen Ausstellung zwei „Blaupausen“, die mithilfe eines von der Zeit überholten Verfahrens Werke des Neoplastizisten kopieren – gemalt natürlich. Das Simple, leicht Verwaschene jener Methode übernimmt er ebenfalls und siedelt sein Werk so erneut im Vakuum zwischen dem musealen Vorbild und einem handwerklich bedingten Verfahren an. Ähnlich verfährt Grommek schließlich in der Werkreihe der „Farbkopien“. Hier greift er auf eigene ältere Arbeiten zurück, remixt und verdoppelt sie. Entsprechend der Technik entstehen plane Nachbilder, bei denen jedoch einzelne Farbfelder im Prozess der Entstehung variiert werden. Grommek gelangt zu einer intensiveren Farbigkeit, die fast alle neuen Arbeiten aufweisen.
Mit solchen kalkulierten Fehlern betont das Werk erneut die Differenz zwischen Vorbild und Abbild, Original und Fälschung, Realität und Behauptung. Es sind die Fragen der Moderne nach der Bedeutung des Bildraums und damit der Kunst im 21. Jahrhundert. Das Ende der Malerei mag immer wieder postuliert werden – ein Blick auf die konzeptuellen Bilder von Joachim Grommek macht klar, dass diese Fragen weiter relevant sind. Auch er gibt keine Antworten. Es ist das Prinzip seiner Kunst, dass er die Widersprüche herausarbeitet. Sensibel, höchst reflexiv, mit ironischem Understatement und einem Faible für Ästhetik. Dass es ihm mehr um die „Idee von Holz“ ginge als um das konkrete Material, hat er in einem Interview mit dem Künstler Damien Hirst gesagt. Der fand den Aufwand, den Grommek mit seiner Malerei betreibt, ziemlich kompliziert. Eine Kopie sei wesentlich einfacher herzustellen. „Ich nehme das Alltägliche und mache es interessant“, antwortete Grommek darauf. Aber natürlich schafft er in seinem Werk viel mehr.
Beitragsbild: untitled (cymk 1), 2023, enamel, acrylic, oil, primer, chipboard | 50 x 38 cm | 19.7 x 15.0 inches
Joachim Grommek – friends & others
10. November 2023 – 20. Januar 2024