Jens Rauschs malerisches Werk befasst sich mit Sujets, die der Natur entstammen. So sind es Felder, Berge oder Wälder, derer sich der Maler mit hessischen Wurzeln bedient, um seine künstlerischen Prozesse daran – oder besser darauf – ablaufen zu lassen. Dem jeweiligen Sujet wohnen bereits selbst schon das Prozesshafte, ein Eigenleben und mitunter auch das vergängliche Moment inne. Es reizt Rausch, diese künstlerisch nicht nur aufzugreifen, sondern vor allem weiter zu transformieren.
In der Analyse und im spielerischen Experiment geht er den natürlichen Prozessen wortwörtlich auf den Grund. Sucht nach Materialitäten, die den jeweiligen Sujets entsprechen, akzeptiert deren mitunter nicht ganz einfach zu bewerkstelligenden materiellen Eigenschaften derart, dass sie als Urstoff für sein Werk zum Tragen kommen. So erwachsen beispielsweise aus Materialien, die einst selbst Wald waren, jene sogenannten Alchemistischen Mischwälder: Bild-Werke aus Asche, Bitumen, Ruß, Kohlenstoff, die sich chemisch-physikalisch zu einem Wald formieren, sich jedoch bei näherer Betrachtung zu abstrakten Formen und Strukturen auflösen. Oder der Künstler birgt aus Marmormehl, Gips, Grafit, Kalk, Blei und anderen Bergmaterialien seine Gebirge und nennt diese Werkserie treffenderweise BERGEn. Immer wieder sind es hier auch plastische, gar wortwörtlich bildhauerische – Arbeiten; geborgen aus den materiellen Eigenschaften selbst. Das Werk erschafft sich dabei gewissermaßen nahezu aus sich selbst heraus, indem Rausch beispielsweise forminstabiles Walz-Blei bzw. Papier derart auffaltet, dass knickende Schwachstellen in Gegenbewegungen wieder in eine Kräftebalance zu den Starkstellen geraten. So werden jene physikalischen Kräfte und Strukturen sichtbar, die sich gleichermaßen universell auch in der Natur wiederfinden lassen. Es erscheint damit nur konsequent, dass er seinen Werken Bildtitel gibt, in denen sich die geologische Terminologie, die Prozessbeschreibung und das Ergebnis gleichwertig gegenüberstehen: Faltengebirge, Bruchkanten, Bruch, Abkantungen, Verwerfungen, Abrisskanten … Die Eigenwilligkeit der Materialitäten kollidiert hierbei nicht selten mit der eigentlichen künstlerischen Absicht, da sich jene Prozesse mitunter nur bedingt kontrollieren lassen. Rausch reagiert darauf, schärft einzelne Prozesse mit weißer oder schwarzer Ölfarbe, schichtet auf und gelegentlich auf erodierende Weise wieder ab. In seinen Feldarbeiten gar mit Feuer, um gelegentlich die Leinwandoberfläche in die dritte Dimension aufzubrechen, um durch diese Unstelle einen Denkraum oder eine Art ‘Krypta’ zu erschaffen.
Es ist seine künstlerische Reflexion und Antwort zugleich auf und durch den natürlichen Prozess und das wortwörtliche Begreifen des Materials und der Materie, die das Erfassen und Begreifen der Welt für Rauschs künstlerisches Verständnis so essentiell werden lässt. Die Suche nach der Weltformel und dem, ‘was die Welt im Inneren zusammenhält’ treiben Rausch immer wieder an, im experimentellen Spiel auf den jeweiligen Bildträgern neue komplexe Wege zu gehen und Lösungen zu erschaffen, in denen Zufall, Zeitlichkeit, Prozess, Material und künstlerischer Akt mit dem Sujet und Titel zu einer komplexen Einheit verschmelzen. Die Komplexität seiner Werke sind Ergebnisse aus den bisherigen Erkenntnissen zu Neuem; eine Art Kreislauf der ganz eigendynamisch Rauschs Werk weiterentwickelt. Es ist nach wie vor eine Art kindliches Spiel auf den jeweiligen Bildträgern auf denen alles möglich zu sein scheint: Ein großes, komplexes und mit nahezu allen Sinnen zu erfassendes EXPERIMENTIERFELD.
Jens Rausch wurde 1976 in Fulda / Hessen geboren. Er lebt und arbeitet in Hamburg und ist dort Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler. Seine Arbeiten wurden in einer Vielzahl internationaler Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. in Deutschland, Dänemark, Georgien, Niederlanden, Mexiko und Japan gezeigt. Er wurde für den Wesselinger Kunstpreis 2015 nominiert und nahm als Künstler in Residenzprogrammen in Island, Georgien und der Schweiz teil. Text: Mianki.Gallery
Jens Rausch – Experimentierfeld
noch bis zum 9. Mai 2020
Ausstellungsrundgang und Gespräch mit Jens Rausch
Die Kunsthistorikerin Andrea-Katharina Schraepler, via artis berlin, im Gespräch mit Jens Rausch und den Gästen am
Samstag, 25. April 2020 um 17.00 Uhr
mianki.Gallery
Kalckreuthstraße 15
10777 Berlin
Beitragsbild: Neuschwanstein II, 2019, Asche, Öl, Bitumen, Feuer, Leinwandreste, Eisen- und Kupferoxid auf Leinwand, 100 x 100 cm