Gestalten statt zerstören

Öl-Attacken auf Kunstwerke - Jeannette Hagen für Kunstleben Berlin

Es ist noch nicht lange her, da wurde die Granitschale vor dem Alten Museum beschmiert. Nun wurde bekannt, dass es bereits zwei Wochen vorher ähnliche Öl-Attacken auf Kunstwerke im Potsdamer Cecilienhof gab. Wer hinter den Anschlägen steckt, ist noch nicht ermittelt. Möglicherweise stecken Verschwörungsmystiker oder Reichsbürger dahinter, die dann nicht ohne Grund den Cecilienhof angegriffen haben, schließlich fand dort 1945 die Potsdamer Konferenz statt, auf der das Potsdamer Abkommen geschlossen wurde, was von vielen Verschwörungsideologen nicht anerkannt wird.

Aber zurück zur Granitschale. Wusstest Du, dass sie aus einem einzigen Stück gefertigt ist? Geholt wurde der Stein aus den Rauenschen Bergen, einem Gebiet vor den Toren Berlins, wo sich auch heute noch der Teil, von dem der Stein abgespalten wurde, befindet und wo noch andere riesige Findlinge liegen, die der Eiszeitgletscher von Schweden nach Deutschland geschoben hat.

Wer je vor so einem Stein-Giganten gestanden hat, wer die Handwerkskunst achtet, die in der Bearbeitung steckt, wer um die Geschichte der Herstellung weiß, der verfällt beim Anblick der Schale in Staunen. Und der ist betroffen, angesichts des Vandalismus, dem sie nun erneut ausgesetzt war. Die, die sie besprüht haben, können scheinbar nichts damit anfangen, dass so ein Kunstwerk, auch wenn es nicht hinter Glas steht, zu unserem Kulturerbe gehört. Dass die Schale auch ein Teil unser aller Vergangenheit ist. Dass die Kunst unserer Ahnen grundsätzlich ein Teil nicht nur unserer Geschichte, sondern eben auch von uns ist. Und dass gerade in Zeiten, in denen vieles, was wir als Geländer unserer Identität empfinden, wegbricht, solche Erbstücke ungemein wichtig sind.

Was braucht es, um Kindern und Jugendlichen ein Gefühl für diese Schätze zu geben? Reicht der Museumsbesuch im Rahmen des Kunstunterrichts, die AGs, die außerschulisch angeboten werden und der Einfluss der Eltern? Offensichtlich nicht, meint auch der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. „Ein Stück weit fühle ich, dass das Bewusstsein verloren gegangen ist, welchen Wert kulturelles Erbe, Kulturschätze, Museumssammlungen wirklich haben und dass man so etwas nicht einfach willkürlich zerstört. Das ist jetzt ein Einzelfall, aber dennoch, in seiner Dimension war er ja enorm. Und mit Geld alleine ist es auch nicht getan, denn schauen Sie, wenn die kriminelle Energie groß genug ist, dann ist es auch ganz, ganz schwierig.“

Dass der Kunstunterricht ein bisschen das Stiefkind der schulischen Bildung ist, zeigt sich gerade jetzt in der Corona-Krise sehr deutlich. Kunst lässt sich schwer digital „abhaken“, zumal der Schwerpunkt der digitalen Lehre während der Schulschließung sowieso auf den naturwissenschaftlichen Fächern lag. Auch Theaterbesuche, Theaterworkshops oder andere kreative Beschäftigungen mussten und müssen nach wie vor hintenanstehen. Für jene, die von Seiten des Elternhauses ohnehin wenig Berührung mit Kunst haben, ist das ein großer Verlust. Leider einer, den die Politik nicht im Fokus hatte, während Rettungspakete für Autoindustrie und Flugbetrieb geschnürt wurden.

Die Beschäftigung mit Kunst und das kreative Wirken eröffnen Räume, die wir gerade jetzt dringend brauchen und die sich schließen, wenn wir nicht am Ball bleiben. Eine Gesellschaft,

Veröffentlicht am: 03.12.2020 | Kategorie: Kolumne Jeannette Hagen, Kunst - was sonst noch passiert,

Eine Meinung zu “Gestalten statt zerstören

  1. R.SCHERRER sagt:

    Diese Schale wurde auch mit einer Dampfmaschine, die in Berlin gefertigt wurde,glaube 8 PS, geschliffen. Das hat zwei Jahre gedauert. Die Berliner waren damals unglaublich stolz ,weil Dampfmaschinen zuerst nur in England gefertigt wurden

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