Ab 1. April zeigt die Neue Nationalgalerie parallel zwei Ausstellungen von Tehching Hsieh und Gerhard Richter.
Tehching Hsieh
Tehching Hsieh prägte mit seinen Langzeitperformances maßgeblich die Medien- und Performancekunst seit den 1970er-Jahren, während Gerhard Richter mit seinen Bildideen die zeitgenössische Malerei seit Jahrzehnten beeinflusst. Beide Ausstellungen markieren Wendepunkte im Kunstverständnis des 20. Jahrhunderts.
Die Neue Nationalgalerie präsentiert Tehching Hsieh‘s Arbeit „One Year Performance 1980-1981 (Time Clock Piece)“. Geboren 1950 in Nanzhou, Pingtung, Taiwan, wurde Tehching Hsieh vor allem durch seine Langzeitperformances, die jeweils ein Jahr andauerten, in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren international bekannt. Die Film- und Foto-Installation in der Neuen Nationalgalerie zeigt die Performance, in der der Künstler sich ein Jahr lang dabei fotografiert, wie er stündlich eine Stempeluhr bedient. Der damit einhergehende Schlaf- und Mobilitätsentzug versetzte ihn in eine Art Delirium, so dass einige Aufnahmen scheiterten.
Am Ende der Performance produzierte Tehching einen Film, der 24 Fotos pro Tag x 365 Tage im Jahr (8.760 insgesamt), die mit Filmgeschwindigkeit von 24 Bildern pro Sekunde in einem 6-minütigen Film mündete, der 2009 im Guggenheim New York ausgestellt wurde und auch in der Neuen Nationalgalerie zu sehen sein wird. Tehching repräsentierte den Taiwan Pavillon 2017 auf der 57. Venedig Biennale; ausgewählte Einzelausstellungen waren u. a. im Modern Museet, Stockholm (2016) und in der Tate Modern, London (2017-18), Museum of Modern Art, New York (2009).
Kuratiert von Klaus Biesenbach, Direktor Neue Nationalgalerie und Lisa Botti, kuratorische Assistenz.
Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin
Die Ausstellung zeigt erstmals die langfristige Leihgabe der Gerhard Richter Kunststiftung an die Neue Nationalgalerie. Das zentrale Werk der Ausstellung ist der aus vier großformatigen, abstrakten Bildern bestehende Zyklus „Birkenau“ (2014). Er ist das Ergebnis einer langen und tiefen Auseinandersetzung von Gerhard Richter mit dem Holocaust und dessen Darstellbarkeit. Grundlage der Werke sind vier Fotografien aus dem KZ Auschwitz-Birkenau, die der Künstler mit Kohle und Ölfarbe auf vier Leinwände übertragen hat, um sie dann nach und nach abstrakt zu übermalen. Mit jeder Farbschicht verschwand die gemalte Vorlage etwas mehr, bis sie schließlich nicht mehr sichtbar war. Zu dem Werk gehört auch ein großer, vierteiliger Spiegel, der gegenüber den vier Birkenau-Bildern platziert ist und so eine weitere Ebene der Reflexion erzeugt.
Neben dem Birkenau-Zyklus werden knapp 90 weitere Arbeiten des Künstlers aus mehreren Schaffensphasen seit den 1980er-Jahren zu sehen sein, darunter „Besetztes Haus“ (1989), „4900 Farben“ (2007) und „Strip“ (2013/2016). Ein großes Konvolut umfasst ferner Arbeiten aus der bedeutenden Werkgruppe der übermalten Fotos, in denen Richter auf einer neuen Ebene das Spannungsfeld zwischen Fotografie und Malerei thematisiert.
Die Präsentation entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler. Geplant ist in Zukunft die Werke Gerhard Richters durch kuratorische und künstlerische Interventionen von Künstlerinnen und Künstlern aus verschiedenen Bereichen in immer neuen Kontexten zu präsentieren.
Beitragsbild: Ausstellungsansicht „Tehching Hsieh. One Year Performance 1980-1981 (Time Clock Piece)“, Neue Nationalgalerie, 1. April– 30. Juli 2023 © der Künstler / Foto: Florian Lampersberger | Near Future
Tehching Hsieh
01.04.2023 – 30.07.2023
Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin
01.04.2023 – 2026