Gereon Krebber & Vicky Uslé: Where it starts to soak and crumble

Gereon Krebber & Vicky Uslé: Where it starts to soak and crumble

Mit der Ausstellung “Where it starts to soak and crumble” setzt alexander levy erstmals Papierarbeiten von Vicky Uslé (1981, Santander, Spanien) mit Skulpturen von Gereon Krebber (1973, Oberhausen, Deutschland) in Dialog. Auf abstrakter, fantastischer Ebene widmen sich beide Künstler*innen dem Spannungsfeld zwischen dem Organischen und dem Konstruierten, zwischen Natur und Stadt. Was bei Uslé dabei traumhaft angerissen wird, formt Krebber zu konkreten Körpern.

Nach einer Residency am European Ceramic Work Centre (EKWC) im niederländischen Oisterwijk hat sich Krebber in den letzten Jahren vor allem auf die Arbeit mit Keramik konzentriert. In der Ausstellung sind nun neue Skulpturen seiner Werkserien „Agiens“ und „Derelikt“ zu sehen, die Krebbers Freude daran bezeugen, seinen Arbeiten – ganz nach dem klassischen Bildhauermythos – Leben einzuhauchen. Während die Skulpturen meist durch ihre Titel einen komischtragischen Charakter erhalten, nutzt Krebber in diesem Falle organische Anspielungen: Hier erblickt man einen weit geöffneten Schlund, dort läuft die glänzende Glasur wie Speichel über die dunkle Plastik. Die Formen, die Krebber in diesen Serien thematisiert, scheinen dabei gewissermaßen verwandt: Sie lassen sich als Konvolute von Wohneinheiten und Kokons interpretieren. Somit erblickt also, wenn auch eher zombieartig, die zweite und unbelebte Haut, in der Mensch und Tier heranwachsen, das Licht der Welt. In diesem Sinne erscheinen die Skulpturen der Serie „Derelikt“ (seit 2020) als düstere Miniaturen von Bauruinen. Sie erinnern an das offene Skelett mehrstöckiger Neubauten mit ihren gleichförmigen, kubischen Einheiten. Der rechte Winkel als Essenz modernen Bauens tritt in den Vordergrund. Die schwarzen Wabenstrukturen rufen ferner die Brutalität und Rohheit von Stahlträgern ins Gedächtnis. Krebber hat die perfekten, klaustrophobischen Kuben aber ebenso unsensibel aufgebrochen. Der Betrachter wird Zeuge eines postapokalyptischen Szenarios, in dem die Utopien von einst längst brüchig geworden sind. Der Stahl ist geschmolzen, auf die Architekturkörper ist ein Bombenregen niedergegangen. Überlebt haben sie es dennoch und beginnen nun ihr Eigenleben. Auch Krebbers „Agiens“ stehen wie verlassene Kokons auf dem Boden. Was ausgebrütet wurde, lässt sich allenfalls erahnen, rückt jedoch in den Hintergrund, denn auch hier wird die schützende Hülle selbst zum Protagonisten.

Der assoziative Bezug zu Architektur und Natur, der sich bei Krebber abzeichnet, bestimmt auch die abstrakten Arbeiten von Vicky Uslé. Die Künstlerin arbeitet immer wieder mit dem starken Kontrast zwischen ihren Wohnorten auf dem Land in Spanien und in der Weltstadt New York. Was in einer Auswahl an Arbeiten aus den vergangenen Jahren deutlich wird, zeigt sich auch in Uslés neuesten Gemälden: Pastos bis leuchtendende Linien und Formen heben sich vom pechschwarzen Bildgrund ab. Die organischen Strukturen erinnern an Nachbilder auf der Netzhaut. Zum Teil muten sie wie die extrahierten Szenen kontemplativer Naturbetrachtungen an, wobei sich beispielsweise im Strombett tänzelnde Algen erkennen lassen. Im Gegensatz dazu zeichnen sich die Collagen, die Uslé seit 2008 fertigt, durch klare Formen und Kanten aus. Im Zentrum des Blattes schichtet die Künstlerin Fragmente monochromer Papiere und erprobt im Kombinieren von Negativ- und Positivformen, im Wechsel zwischen Vorderund Hintergrund schließlich das Zusammenspiel aus gebauter und natürlicher Umwelt. Die reduzierten Ansichten greifen dabei wohl Bekanntes auf und zeigen wie sehr wir Uslés visuelle Erfahrungen teilen: Dort scheint die Sonne hoch im Zenit über den Dächern der Stadt, dort versperrt ein schwerer, monumentaler Häuserblock die Sicht auf die Landschaft.

Gereon Krebber & Vicky Uslé: Where it starts to soak and crumble

24.06.2022 – 30.07.2022

alexander levy

Veröffentlicht am: 26.07.2022 | Kategorie: Ausstellungen,

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