Galli “Euren Vorstellungen sind keine Grenzen gesetzt (…)”

Grenzen verschieben, Konventionen hinterfragen, sich dem Unbekannten öffnen und das Unerwartete zulassen: Galli hat das Spektrum der figurativen Malerei mit ihrer starken Postion entscheidend erweitert, ihre Arbeiten werden heute endlich als extrem gegenwärtig und „sensationell (O. Koerner v. Gustorf) wahrgenommen. Die Saarländische Galerie in Berlin zeigt vom 25.4. bis 1.6.2024 Malerei und Arbeiten auf Papier von Galli, die vorher noch nie in einer Ausstellung zu sehen waren.

Die Lage ist ernst, die Fragen sind groß: Galli begegnet existenziellen Themen des Lebens – Begehren, Sex, Sehnsucht, Gewalt, Verletzung, Gier – in ihren Arbeiten mit feinem Geist und tiefgründigem Humor. Seit den 1980er Jahren hat die Künstlerin eine eigene Bildsprache entwickelt, die sich durch eine freie, gestisch-expressiv Darstellungsweise auszeichnet. Diese Freiheit gründet ebenso auf Gallis intensiver Auseinandersetzung mit der eigenen Zunft wie auf ihrem breiten Wissen zur europäischen Kultur- und Geistesgeschichte. Sie hat sich durch die Geschichte der westlichen Kunst hindurchgearbeitet. In ihren Bildern finden sich Momente „akademischer“ Malerei und Zeichnung ebenso wie Referenzen zur klassischen Moderne. Sie zeugen von Gallis enormer Lust an Überschreitung und Dehnung vorgefundener Regeln und Ordnungen. Folgerichtig entstehen ihre Arbeiten in einem Prozess ständiger Überarbeitung. Frühere Bildelemente werden übermalt, ein Bild geht in ein anderes über.

Anatomische Körperkonturen weichen hybriden Gestalten, die die vermeintliche Unterscheidung zwischen Körper und Raum, zwischen Ding und Körper, zwischen aktiv und passiv, vorne und hinten, oben und unten unwichtig werden lassen: Ein Tisch blickt mit einem Auge auf eine Figur, die er in den Händen hält, Körper verhaken sich ineinander oder verschmelzen zu einem Wesen mit vielen Extremitäten. Wo Picasso, eine von Gallis Referenzfiguren, noch zwischen Arm und Bein, weiblichen und männlichen Körpern unterschied, „picassiert“ (O-Ton Galli) sie anatomische Gewissheiten und biologische Kategorien weg. Es zählt nicht der biologische Körper, sondern gefühlte Körperlichkeit.

Die ins Bild gebrachten Gefühlswelten sind durchzogen mit einer anarchistisch – humorvollen Offenheit und Experimentierfreudigkeit. Wort- und Satzfetzen, egal ob aus Radiosendungen, Gedichten oder Romanen, durchragen viele Zeichnungen oder Bilder, wie kaum ein Comic es wagen würde, Bildoberflächen sind geöffnet und ins Dreidimensionale geschichtet, so dass die Grenzziehung zwischen Collage und Skulptur hinfällig wird. Wer eine eindeutige „Lesart“ in Gallis Kunst erwartet, sei an das Thema dieser Ausstellung verwiesen: „Eurer Vorstellung sind keine Grenzen gesetzt…“

Biografie

Galli (geb. 1944, Saarland) Studium: bis 1967 an der Werkkunstschule, Saarbrücken, bis 1976 an der Hochschule der Künste in Berlin, 1989 Will Grohmann-Preis, 1990 Villa Romana Stipendium, Florenz, 1992 bis 2005 Professur für Illustration, FH Münster, 2003 Albert-Weisgerber-Preis

Ausstellungen (seit 2020): Seht zu, wie ihr zurecht kommt, Hall Art Foundation, Kunstmuseum Schloss Derneburg (Solo 2023/24); Der König ist tot, lang lebe die Königin, Museum Frieder Burda, Baden-Baden (2023); Unruly Bodies, Goldsmiths CCA, London (Gruppenausstellung, 2023), Nogueras Blanchard, Madrid (Solo, 2023); Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin (Solo, 2022); Spaced Out, Gut Kerkow (Solo, 2022); brunand brunand, Berlin (Solo, 2021); 11th Berlin Biennale für zeitgenösssiche Kunst, KW, Berlin (2020).

Frühere Einzelausstellungen: Saarländische Galerie – Europäisches Kunstforum, Berlin (2008), Berlin; Museum St. Ingbert (2004); Stadtgalerie Saarbrücken (1992); Villa Romana, Florenz (1990); Salzburger Kunstverein, Salzburg (1989); Städtisches Bodensee-Museum, Friedrichshafen (1985); Galerie der Berliner Festspiele, Berlin (1981); Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin (1980); und Modersohn-Becker-Haus, Bremen (1978).

Galli “Euren Vorstellungen sind keine Grenzen gesetzt (…)”

26. April 2024 1. Juni 2024

Saarländische Galerie – Europäisches Kunstforum

Veröffentlicht am: 23.04.2024 | Kategorie: Ausstellungen, Kultur, Kunst, | Tag: Gallery Weekend 2024,

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