In “When I Think about a Minotaur” beruft sich Heyd Fontenot auf die vielfältigen Erzählungen der Mythologie und erforscht die reiche Vielfalt von LGBTQ+-Beziehungen und -Identitäten innerhalb ihrer Überlieferungen. Er betrachtet die Mythologie nicht als eine archaische oder überholte Form des Geschichtenerzählens, sondern als einen lebendigen, sich entwickelnden Kommentar zu menschlichen Erfahrungen und Sexualitäten, die sich den Zwängen des Normativen widersetzen.
Fontenot, der für seine Wertschätzung der hermetischen Symbolik von Geheimgesellschaften bekannt ist, bringt die subtilen queeren Sensibilitäten zum Vorschein, die in der Kunst vor der Stonewall-Wende stecken. Seine Ausstellung, eine Hommage an die verschlüsselte Bildsprache der “Griechischen Ideale”, macht ihren Witz, ihre verschwiegene Erotik und ihre inhärente Subversivität wieder erfahrbar.
Die Zeichnungen und Gemälde des Künstlers schaffen eine intime Sphäre, in der sich das Mythologische mit dem Persönlichen verschränkt und dessen Symbolik als Mittel zur Befreiung genutzt wird. Inmitten einer Kultur, die noch immer von überholten Tabus und falsche Aufregung rund um die Nacktheit überschattet wird, drängen Fontenots Werke auf eine Neuausrichtung der Wahrnehmung – sie laden den Betrachter dazu ein, die nackte menschliche Gestalt als Sinnbild für Verletzlichkeit, Intimität und ungefilterte Ehrlichkeit zu sehen, und nicht nur als sexuelles Symbol. Fontenots Kunst demontiert die Vergötterung des “idealen” Körperbaus und setzt sich für eine positive und fließende Körperlichkeit ein, indem sie den echten Körper buchstäblich und ideologisch auf ein Podest stellt.
Der Galerieraum ist gefüllt mit Zeichnungen von Figuren wie Zentauren, Medusa und vielen anderen Charakteren, die auf den ersten Blick einfach nur menschlich zu sein scheinen, und lädt zu einer labyrinthischen Reise ein, die die verschlungenen Pfade des Lebens voller Freude, Irrtümer und der unausweichlichen Präsenz unserer eigenen inneren Minotauren widerspiegelt.
Im Mittelpunkt von Fontenots Erzählung steht eine nuancierte Kontemplation des Minotaurus selbst – einer Figur, die oft falsch verstanden wird. Fontenot bringt eine Ambivalenz zum Ausdruck: Mitgefühl für das einsame Leiden des Minotaurus und Kritik an der toxischen Männlichkeit, die sich unter anderem Pablo Picasso durch den Mythos angeeignet hat und die ein allgemeines gesellschaftliches Malaise widerspiegelt.
Fontenots Labyrinth ist eine Einladung, sich dem bedrückenden “Prinzip Minotaurus” zu entziehen, die zarten Feinheiten menschlicher Beziehungen zu entdecken und sich an der Feier der einvernehmlichen Lust zu erfreuen, frei von den Fesseln seiner Herrschaft.
Diese Sammlung ist mehr als eine Aneinanderreihung mythologischer Darstellungen; sie entschlüsselt die zeitlose Landkarte der menschlichen Psyche und bietet ein Gefühl des Trostes in der gemeinsamen Odyssee der Existenz. Fontenot reflektiert: “Wie Matrosen, die sich an Himmelskörpern orientieren, lenken uns diese alten Geschichten und erinnern uns an die gemeinsame Reise der Menschheit – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Irgendjemand ist diesen Weg schon einmal gegangen, Du bist nicht der Erste, der diesen Weg geht, und Du wirst auch nicht der Letzte sein.”
“When I Think about a Minotaur” ist ein Zeugnis der bleibenden Kraft von Mythen, ihre Fähigkeit unser tiefstes Selbst anzusprechen, Mut und Trost zu spenden und einen Weg durch die komplexen Gewässer von Identität und Existenz zu weisen.
Über Heyd Fontenot:
Der renommierte multidisziplinäre Künstler Heyd Fontenot, der ursprünglich aus Louisiana stammt, taucht nun im Rahmen eines längeren Künstleraufenthalts im SomoS in die pulsierende Kunstszene Berlins ein. Mit einer dynamischen Karriere, die verschiedene Rollen umfasst – vom experimentellen Filmemacher in den 1990er Jahren bis hin zum Designer, Art Director, Produzenten, Maler, Kurator und Leiter der Central Trak Artists Residency an der University of Texas in Dallas und Sala Diaz / Casa Chuck Exhibition Space & Artist Residency, San Antonio – ist Fontenots künstlerische Reise von Vielseitigkeit und einem multidisziplinären Ansatz geprägt. Sein Werk, das für sein Einfühlungsvermögen und seinen Humor gefeiert wird, stellt gesellschaftliche Normen in Frage, indem es respektvoll und offen Themen wie Nacktheit, menschliche Verletzlichkeit und Identität erkundet. Fontenots Kunst, die zum Umdenken anregt, hat in den gesamten Vereinigten Staaten Anerkennung gefunden, mit Ausstellungen an prominenten Orten wie dem Galveston Arts Center in Texas.