Parallel zum Abstrakten Realismus und dem Minimalismus entwickelt sich in den USA und Großbritannien die Pop Art, die in den 1960er Jahren zur dominierenden Kunstrichtung wird und auch nach Deutschland herüberschwappt. Ihre Motive findet sie in der Welt des Konsums, der Markenkultur und der Massenmedien. Sechs Jahrzehnte später wirft die Galerie Michael Haas einen Blick zurück – und widmet ihre Ausstellung einem besonderen Vertreter: Uwe Lausen (1941-1970), dessen Werk zu den stärksten Positionen figurativer Malerei der 1960er Jahre in Deutschland zählt und eine radikale Variante der Pop Art mit sich bringt. Auf der Zielscheibe: Der bürgerliche Spieß und die deutsche Verdrängungskultur.
Uwe Lausen zeigt schon als Kind eine musikalische und künstlerische Begabung, gleichzeitig ist seine Jugend geprägt von verzweifelter, aggressiver Kritik an gesellschaftlichen Zwängen in dem von autoritären Strukturen bestimmten Nachkriegsdeutschland, die ihn schon in der Schule gegen seine Umwelt rebellieren lässt. Nach einem nur widerwillig im beschaulichen Tübingen begonnenen Philosophiestudium geht er nach München und schreibt sich für Rechtswissenschaften ein, die er jedoch schnell zugunsten von literarischen Projekten aufgibt. Sehr bald danach verschiebt sich sein Interesse abermals, als sein unbändiger Aktionismus und seine „Lautstärke“ innerhalb der Münchner Szene ihn in Kontakt mit der Künstlergruppe SPUR (Lothar Fischer, Heimrad Prem, Helmut Sturm und HP Zimmer) und der Situationistischen Internationale (S.I.) – einer europaweit agierenden Avantgardebewegung, dessen Mitglied Asger Jorn (1914-1973) dem Anfänger Lausen als Ausgangspunkt und Inspiration für erste expressiv farbgewaltige Bilder dient, bringen.
In HP Zimmers (1936-1992) Atelier beginnt der 19-Jährige zu malen. Er schreitet rasant in seiner künstlerischen Entwicklung voran und entfernt sich vom Vorbild der Künstlerkollegen. Mit neuer Bildsprache emanzipiert er sich bereits 1963 von seinem Debutwerk: zunehmend erzählerisch, hin zu surrealen Körperandeutungen, die in späteren Arbeiten in comicartiger Dramaturgie deformiert werden. In seiner letzten Werkphase von 1968/69 wird der Körper vollends entmenschlicht, er ist nun in radikaler Konsequenz Material selbst. Vor allem in der ersten Hälfte seines Schaffens experimentiert Lausen mit verschiedenen Materialien und dem Auftrag auf der Bildfläche, in nur neun Jahren Schaffenszeit durchläuft der Autodidakt unterschiedlichste stilistische Konzeptionen der westlichen Kunstgeschichte der 1960er Jahre. „Entwicklung ist mir wichtiger als Zustand, Wandlung wichtiger als Festigkeit“, schreibt er in sein Tagebuch.
Beitragsbild: Uwe Lausen, Tube gelb-grün und blauer Stuhl, 1968, Acrylic on canvas, 100 x 140 cm
Uwe Lausen. Ohne Risiko ist das Leben langweilig
09.09.2024 – 08.11.2024
Eröffnung und Gallery Night Freitag, 13.09.2024, 18-22 Uhr
Galerie Michael Haas