Das TOPIA – Festival ist ein zweiwöchiges Ausstellungs- und Diskursformat, welches sich mit Aspekten der Urbanen Natur und weiter gefasst mit der ökonomischen und politischen Domestizierung der globalen Flora befasst. Dabei werden sowohl Folgen der koloniale Kontribution von Pflanzenarten, Aspekte der Klimakrise als auch elementare Erfahrungen mit der Berliner Stadtnatur in den Arbeiten verkörpert, ans Publikum adressiert und im Verlauf gemeinsam erörtert. Organisiert von Kurator Stephan Klee und der Kursorischen Assistenz Ece Pazarbasi
TOPIA – Festival
23. Juli bis 7. August 2021 14:00 – 18:00 Uhr
Eröffnung Freitag, den 23 Juli 14:00 bis 21:00 Uhr
Beteiligte Künstler*innen
Bethan Hughes, Anna Lauenstein & Max Hilsamer, Aletta de Jong, Andreas Greiner, Marie Strauss, Yukihiro Taguchi und mehr
Einführung
Ist es nicht seltsam, dass „Utopie“ – „Nicht Ort“ einen Ort bedeutet, der perfekt ist, aber weder existiert noch jemals existieren kann? Der am meisten optimierte Ort ist quasi der Anti-Ort. Und ist es nicht lustig, dass die einzig mögliche Utopie, die es wirklich geben kann, „Eutopie” – Guter Ort heißt und das gleiche Akronym hat wie die Europäische Union? Und schließlich bezeichnet „dystopia“ – „Schlechter Ort“ einen Ort, der zutiefst falsch ist, aber in vielerlei Hinsicht möglich.
Den aktuellen Zustand unseres Globus anzuerkennen, bedeutet zu erkennen, dass wir uns in diesem Jahrzehnt am Scheideweg befinden. Entweder die Menschheit ist in der Lage, eine Form der Koexistenz mit allen Wesen und positiven Kreisläufen der Natur zu adaptieren und zu einer nachhaltigen Utopie zusammenzuwachsen. Oder unsere sozialen und ökonomischen Systeme werden auf dem Weg dorthin abstürzen und in einer postkatastrophalen Dystopie enden.
Das partizipative Kunstfestival TOPIA kürzt das “U” oder das “Dys” im Titel weg, um einen quasi neutralen Boden für die Zukunft zu gewähren. In der Realität wird dieser neutrale Boden der Innenhof eines sozialen Wohnblocks sein, der sich in der Kluckstraße 23 in Berlin Tiergarten -Süd befindet. Dort, wo vor nicht einmal 10 Jahren das Berliner Grünflächenamt sein Trainingszentrum hatte, wird der Ort sein, an dem wir unser Verhältnis zur Stadtnatur sensibel, reflektiert und kreativ erproben. Und es wird auch der gemeinsame Boden sein, um die Beziehungen zwischen uns zu testen. Denn als soziale Subjekte mit natürlichen Körpern sind wir eingebettet in die Zusammenhänge der Ökologie. Die Art und Weise, wie wir mit uns selbst umgehen, zeigt also auch, wie wir auf unser allgemeines Umfeld der Koexistenz einwirken.
Programm
Das Programm umfasst eine Ausstellung, singuläre Arbeiten, Screenings und die inhaltliche Präsentation der Workshop – Reihe TOPIA, welche in der zweiten Jahreshälfte in und um das HAUNT stattfinden soll.
1.
Das Erdgeschoss und das Treppenhaus des Ausstellungspavillons ist Bethan Hughes mit Ihrer Werkgruppe Hevea, 2020 gewidmet:
„…, bevor Gummi ein Material wurde, das so alltäglich, so zwischendurch, so allgegenwärtig ist, dass es fast aus dem Blickfeld verschwindet; war bekannt, dass es ein Wunder ist.“ Bethan Hughes ist eine Künstlerin und Forscherin. Durch Animation, Installation, Druck und Schrift versucht sie, die Art und Weise zu analysieren, in der biologische und körperliche Formen – die sinnlichen, widerspenstigen und verfallenden – durch technologische, kommerzielle und industrielle Verarbeitungsmethoden transformiert werden.
Ihr jüngstes Projekt, Hevea, ist eine fortlaufende Untersuchung der Beziehung zwischen Naturkautschuk – einer pflanzlichen Substanz, die mit dem Aufstieg des Kapitalismus, der Moderne und des Imperialismus verbunden ist – und der Menschheit. In einer Reihe von Akten, die Archivmaterial, maschinell erlernte Animation, Druck und Skulptur miteinander verweben, erzählt Hevea die Geschichte, wie Gummi ein flexibles Kontinuum zwischen Vergangenheit und Zukunft, Natur und Kultur, Ritual und Funktion schafft.
2.
Im Treppenhaus wird auch der Film Nach dem Warmhaus, 2021 des Künstlerduos Anna Lauenstein und Max Hilsamer gezeigt. In diesem Werk untersuchen die beiden und eine Gruppe Performer, wie sich unsere Wahrnehmung und unser Verständnis der Pflanzenwelt im Bezug auf Heimat verändert hat. Die Geschichte der Botanik ist eng mit dem Kolonialismus verwoben. Die Arbeit, die sich vom Dokumentarischen zum Fiktionalen entwickelt, setzt sich kritisch, künstlerisch, poetisch und wissenschaftlich mit dem Thema der kulturellen und politischen Hegemonie der Kolonialzeit aus heutiger Sicht auseinander.
Am Freitag, dem 06.08. veranstalten wir im Rahmen des Festivals einen Screening Abend,
bei dem filmische Beispiele der Thematik erst gezeigt und dann in einem offenen Paneltalk diskutiert werden können.
3.
Im ersten Stock des Ausstellungspavillon werden außerdem die vier kommenden Workshop- Reihen TOPIA der KünstlerInnen Aletta de Jong, Andreas Greiner, Marie Strauss, Yukihiro Taguchi angekündigt und vorgestellt. Die vier haben für die zweite Jahreshälfte unterschiedliche, partizipative Ideen für die Entwicklung von Kunstwerken in Gruppen mit interessierten Teilnehmer*innen entwickelt. In allen vier Formaten stehen unterschiedlichen Fragen der Urbanen Ökologie im Fokus und werden kollektiv in den einzelnen Gruppen angegangen. Diese Workshops finden dann im Garten, Hof und der unmittelbaren Umgebung des Kulturzentrums statt. Besonders ein großer überdachter Bereich im Hof, der PATIO, wird zentraler Arbeits- und Präsentationsbereich sein.
Übrigens bedeutet „Topia“ soviel wie Garten oder das Malen einer schönen Landschaft. Es ist vielleicht kein Zufall, dass ein Anagramm von „Topia” „Patio“ ist, der überdachte Innenhof eines Gebäudes und der Treffpunkt des mediterranen Gesellschaftslebens.
Text: Stephan Klee
Startbild: Bethan Hughes, „Hevea, Act 1“, 2020; Installation view: Hevea Act 1, 2020. Latex; industrial rubber; Hevea seeds; lithograph; screen-print; talc; steel; hardware. Dimensions variable. photo @ the artist
Galeriebild 1: Anna Lauenstein & Max Hilsamer, „Nach dem Warmhaus (Still002)“, 2021;
photo @ the artist
Galeriebild 2: Andreas Greiner, „Flying Through Space and Time in a Year Without Winter“ ,2019 Native german tree species hung in an artificial grow station; Photo by Jens Ziehe;Exhibition view: „Everything Is Going to Be Alright“. Doppelpass IV; Andreas Greiner and Maximilian Prüfer,
Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst, Munich, 2020, Courtesy of Dittrich&Schlechtriem
Galeriebild 3: Yukihiro Taguchi, Chiara Ciccarello, „Discuvry“ Kanazawa, Japan, 2019;
self-brought home for the artists’ residency organized by the 21st Century Museum of Kanazawa photo @ the artist
Galeriebild 4: Aletta de Jong „Green Light“; Bare House Project 2010; variable dimensions; photo @ the artist