Das Innere nach außen kehrend, auch wenn es ein Hohlraum ist, gilt bei Thomas Virnich als gestalterisches Prinzip. Die Geschichte seiner Objekte beginnt oft beim Sammeln von zufällig gefundenen Alltagsgegenständen, beim Gang über Flohmärkte oder in Antiquitätengeschäften. Kairos, zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, ist ein wesentlicher Bestandteil in seinem Künstlerleben und zeigt sich etwa, wenn aus Straßenfunden und Sciencefiction-Requisiten ganze Zukunftslandschaften gebaut werden.
Geformt wäre in diesem Zusammenhang zu wenig, denn Virnich seziert, dekonstruiert und sprengt seine Räume und Architekturen, bevor er aus irdischen Alltagsgegenständen außerirdische Welten baut. In ihnen fließen Kindheitserinnerungen, Themen der Populärkultur und der modernen Unterhaltungsindustrie zusammen. Virnich schafft sich so eine eigene Realität: Petersdom, Aachener Dom, Sagrada Familia „wir können in unserer Phantasie so etwas bauen“. In seinen Architekturmodellen, bricht Virnich bestehende Strukturen auseinander, um in einem schöpferischen Wideraufbau Türme, Häuser und Innenräume neu zu denken.
Als direkter Transfer von Erinnerungen, multiperspektiven und verzerrten Eindrücken in die Dritte Dimension funktionieren Virnichs Modelle als Mittler in der Welt, zwischen Innen und Außen. So bestehen seine Köpfe nicht aus glatten, geschlossenen Formen, sondern aufgebrochenen, rissigen und äußerst lebendigen Oberflächen. Als ob er den Innenraum eines Menschen abgeformt hätte, dient das zuweilen auch mal fratzenhaft Hässliche, abstrakt Verschobene den menschlichen Geist ab. Virnich veranschaulicht mit seinen schöpferischen Erdbeben eine Inspirationsverdichtung, zeigt Räume und Gebilde, die nur mittels Fantasie durchquert werden können. Ohne physikalische Zwänge oder Schwerkraft, überwinden Virnichs Skulpturen die Horizontale und zeigen seine Vorliebe fürs Fliegen.
Beitragsbild: Thomas Virnich, Lessingskopf, 1996, Fotograf: Jörg von Bruchhausen
Thomas Virnich – Zwischen Raum
25.11.2022 – 21.01.2023
Eröffnung: Freitag, 25.11.2022, 18 – 21 Uhr
Galerie Michael Haas