Lade Veranstaltungen

« Alle Veranstaltungen

Paper & Sound

1. März 2025 - 17. April 2025

Paper & Sound

Sound widmet sich diesen beiden allgegenwärtigen, aber oft unbeachteten Materialien. Klang geht der Sprache voraus und formt sie, er bildet die Grundlage für mündliche Überlieferung, Musik und Sprache. Das unscheinbare Papier ist Träger von Geschichten, die vom Profanen bis zum Sakralen reichen. Dank seiner Vielseitigkeit kann es unzählige Funktionen erfüllen, von den vergänglichsten (eine Serviette) bis zu den dauerhaftesten (Bücher, Geldscheine). Die acht Künstler*innen der Ausstellung zeigen Arbeiten, die Papier und Klang als Ausgangspunkte nutzen, um deren Rolle bei der Formung und Vermittlung von Erinnerung, Wissen und Geschichte zu reflektieren – oder sich auf eine rein sinnliche Ebene einzulassen. Paper & Sound geht über visuelle Aspekte hinaus und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Mündliche, das Berührbare und das Hörbare, und lädt ein zu genauem Hinhören, aufmerksamen Beobachten und sinnlichem Erfahren.

Die Arbeit von Ulf Aminde, die durch wiederholtes Stempeln von Kartoffelhälften auf einer großen Papierfläche entstanden ist, greift auf ein Symbol zurück, das tief in der deutschen Geschichte verwurzelt ist. Die aus Südamerika stammende Kartoffel wurde zu einem Grundstein der deutschen Landwirtschaft und Ernährung. Friedrich der Große hat sie im 18. Jahrhundert gegen Hungersnöte beworben und damit ihren Status als dauerhaftes kulturelles Markenzeichen gefestigt. Aus der Ferne erscheint das Werk wie ein hypnotisches, abstraktes und farbiges Muster. Bei näherer Betrachtung erinnert die Textur an Fingerabdrücke auf behördlichen Dokumenten. Ein weiteres Merkmal deutscher Identität: Bürokratie. Auch wenn der Klang in dieser Arbeit nicht explizit präsent ist, erzeugt der Akt des Stempelns eine hörbare Präsenz, die an das monotone Geräusch von Stempelkissen in öffentlichen Ämtern erinnert und die Langwierigkeit von Verwaltungsprozessen reflektiert. In diesem Kontext erhalten die Stempel eine Bedeutung, die über ihre mechanische Funktion hinausgeht und die oft mühsame und kritische Rolle der behördlichen Dokumentation widerspiegelt. Ein Stempel kann über das Schicksal, insbesondere von Migrant*innen, entscheiden und den entscheidenden Unterschied zwischen Sicherheit und Ausgrenzung machen. In seinen Videoarbeiten und kollaborativen Kunstwerken untersucht Aminde häufig wie bürokratische Systeme die Existenzen von Menschen formen und einschränken. In diesem Stück arbeitet er jedoch aus der Isolation seines Ateliers heraus.

What’s Left of Us? ist eine kollaborative Installation von Annabel Daou und Fritjof Mangerich. Bestehend aus zwei Papierlautsprechern – hergestellt aus geschreddertem Papier und von echten Lautsprechern abgeformt – die hinter zarten Netzen aus Mikrofaserpapier aufgehängt sind. Die Lautsprecher geben Aufnahmen von Daous Stimme wieder, die Bruchstücke von Antworten vorspricht, welche sie und Mangerich in Interviews mit Freunden, Bekannten und Fremden auf die Frage “What’s left of us?” gesammelt haben. Die gesamte Komposition ist gegen einen weißen Hintergrund gesetzt und wirkt nahezu unsichtbar, wodurch die nicht sichtbare Natur des Klangs selbst angedeutet wird. Daou und Mangerich verbindet ein gemeinsames Verständnis von sorgfältigen und aufwändigen Prozessen. In What’s Left of Us? wird die Kombination von Klang und Papier besonders erfahrbar gemacht. In zarten Netzen aufgehängt, vermitteln die Papierlautsprecher eine spürbare Zerbrechlichkeit. Diese Zerbrechlichkeit spiegelt die Vergänglichkeit von Sprache und Erinnerung wider. Durch die Frage “What’s left of us?” regt die Arbeit zum Nachdenken an über Identität, Verlust und das, was die Zeit überdauert.

Elisa Giardina Papa’s Leaking Subjects and Bounding Boxes: On Training AI ist eine Papierinstallation, die auf Bildern ihres gleichnamigen Buches basiert. Diese Bilder sammelte sie während ihrer Zeit als menschliche Trainerin für künstliche Intelligenz-Vision-Systeme, wo sie tausende von Bildern für maschinelle Lernalgorithmen verarbeitete. Die Bilder sind auf einen blauen Hintergrund geklebt, mit sichtbaren Texturen, sodass die Materialität des Papiers sichtbar ist. Die Arbeit zeigt die Dualität von Papier: als Werkzeug zur Bewahrung von Wissen (wie in Büchern) und als Medium, das die Vergänglichkeit und Grenzen unseres allgegenwärtigen Kategorisierungsdrangs offenbart. Giardina Papa zelebriert in Leaking Subjects and Bounding Boxes: On Training AI die anarchische und elusive Natur von alldem, was sich einer klaren Definition entzieht.

Grit Richters zarte Pastellarbeit auf Papier, die die Leuchtkraft ihrer Ölgemälde beibehält, lädt zu einer intimen Auseinandersetzung ein. In The Mother Series, Variation Small Blue (This Is Only the Beginning Pt.03) verwendet Richter Schattierungen von Indigo, Blau, Purpur und Nuancen von Zitronengelb, um eine eindrucksvolle und geheimnisvolle Abstraktion zu erschaffen. Die zentrale gespaltene Form hat eine surreale Qualität und erinnert auch an wissenschaftliche oder biologische Illustrationen. Die Teilung impliziert Dualität – ist sie produktiv, reproduktiv oder destruktiv? Alles ist denkbar. Durch wellenartige Formen, die an Schallwellen oder Wasserkreise erinnern, verbindet sich die Materialität des Papiers mit der immateriellen Natur des Klangs.

In Anna Steinerts Maske werden Papierelemente, die aus Lithografien in Kobaltblau, Orange und Schwarz aus Steinerts Zeit in Schweden stammen, mit Gips und Stoff zu einer Maskenstruktur verbunden. Die Lithographien sind mit gestenreichen Kritzeleien versehen, die die Unmittelbarkeit von Steinerts malerischer Herangehensweise reflektieren und eine Brücke zwischen ihrer zeichnerischen und malerischen Praxis und ihrer skulpturalen Arbeit schlagen. Masken sind für Steinert unmittelbar mit Performance, Theater und Ritualen verbunden. Durch dieses Medium fordert Steinert die Betrachter*innen auf, sich mit der Maske als potenzielles Vehikel für Klang, Kommunikation und Ausdruck auseinanderzusetzen. In Anlehnung an die Persona des antiken Theaters verbirgt die Maske nicht, sondern verstärkt sie – sie ist der Kanal, durch den die Stimme der Figur erklingt. Die Frage bleibt: Welches Ritual würde diese Maske begleiten? Welche Stimme oder welcher Klang könnte aus ihrem Mund aus Seil kommen?

Die Serie Lumière Libérée von Angelika J. Trojnarski ist inspiriert von ihren Experimenten mit Prismen. Die Farbenlehren von Isaac Newton und Johann Wolfgang von Goethe dienen ihr als Referenz. Die Prismen – in kräftigen Farben auf dicken grauen Karton gemalt – stellen die Aufspaltung von weißem Licht in seine Bestandteile dar. In Newtons naturwissenschaftlichem Ansatz wird das Spektrum des Lichts objektiv untersucht, Goethe’s emotionalere Perspektive verbindet Farben mit psychologischen Qualitäten. Dieser Kontrast zwischen rationaler Wissenschaft und subjektiver Erfahrung bildet den Kern von Trojnarskis Arbeit. Der graue Hintergrund, der die Farbenwahrnehmung verstärkt und ihre Leuchtkraft steigert, stellt eine Verbindung zwischen der Materialität des Papiers und der Wahrnehmung des Lichts her.

Anna WittCrushed and Melted von Anna Witt ist eine Collage, die visuelle und auditive Elemente verbindet, um die Auflösung der menschlichen Gestalt zu veranschaulichen. Das Stück besteht aus den Überresten einer früheren ASMR-Performance, in der die Künstlerin systematisch Alltagsgegenstände wie Kleidung, Telefone und Taschen zerstörte. Diese deformierten Materialien werden dann zwischen zwei Plexiglasscheiben zu einer losen, menschenähnlichen Form zusammengesetzt. Die Arbeit baut auf ihrer früheren performativen Installation Soft Destructions auf und verlagert den Fokus nun auf den menschlichen Körper und diejenigen Objekte, mit denen er interagiert. Gepaart mit subtilen ASMR-ähnlichen Klängen, die entstehen während die Objekte zerstört wurden, entwickelt sich eine sinnliche und intime Erfahrung. Witt untersucht die komplexe Beziehung zwischen Zerstörung und Fürsorge und zeigt auf, wie aus scheinbar destruktiven Handlungen emotionale Nähe entstehen kann, während sie sich gleichzeitig mit Themen wie Medien, Intimität und Distanz im digitalen Zeitalter auseinandersetzt.

Paper & Sound

01. März 2025 – 17. April 2025

Galerie Tanja Wagner

Details

Beginn:
1. März 2025
Ende:
17. April 2025
Veranstaltungskategorie:
Eintritt: -

Veranstaltungsort

Galerie Tanja Wagner
Pohlstraße 64
Berlin, 10785
+ Google Karte
Telefon:
49 30 86430120

Veröffentlicht am: 07.04.2025 |

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert