Die Künstlerin und Filmwissenschaftlerin Pallavi Paul arbeitet an der Schnittstelle zwischen Kino, Literatur und politischen Konfliktlinien. Sie nutzt die Kamera als Hauptmedium, um zu hinterfragen, wie spirituelle, technologische, politische und historische „Wahrheits“-Regime im öffentlichen Leben produziert und aufrechterhalten werden.
In ihrer multidisziplinären Praxis, die sich über die Bereiche Film, Installation, Performance, Zeichnung und Text entfaltet, interessiert sich Paul insbesondere für die Spannung zwischen dem Dokument und seiner ästhetischen Ausdrucksform – dem Dokumentarfilm. Sie produziert filmische Arbeiten im Spannungsfeld zwischen Fiktion und Dokumentation, indem Paul visuelle Poesie durch verschiedene Referenzen entstehen lässt. Dabei zitiert sie oft aus Nachrichtenmaterial, Youtube-Fünden, sozialen Medien, historischen Quellen und mehrsprachigen Texten, setzt diese zusammen und kombiniert sie mit neu gedrehtem Material. Ihre früheren sowie aktuelle Filme machen das Publikum mit den Anfängen des Kinos als Instrument der Magie vertraut, und lassen gleichzeitig immer wieder mutige, unheimliche und temperamentvolle Protagonist*innen in Erscheinung treten.
Seit 2020 erforscht Pallavi Paul den weitläufigen Bereich des Atmens – nicht nur durch den einzelnen Körper, sondern durch das Kollektiv als transhistorische, transgeografische und transformative Strömung. Sie beobachtet, was es bedeutet, Muster von molekularem Kolonialismus, religiöser und rassifizierter Gewalt in der heutigen Gesellschaft zu erkennen. Dabei wendet sie sich dem Akt des Atmens als politischem, sozialem, ökologischem und rhythmischem Refrain des Lebens in Zeiten von Dissens und Verletzlichkeit zu. Die monumentalen Herausforderungen für Infrastrukturen von Gesundheit als auch für den Atem entziehen sich der Zeitgebundenheit des Bildschirms; viel eher verkörpern sie einen kontinuierlichen Prozess der Zirkulation und Regulierung, der jede*n Einzelne*n mit allen Lebensformen verbindet.
Während ihrer Zeit als Artist in Residence am Gropius Bau im Jahr 2023 vertieft Pallavi Paul ihre Forschungen über die Liebe und deren verkörpertes Gegenstück, den Atem. Sie stellt sich der einzigartigen Herausforderung, greifbare Abbildungen von etwas Allgegenwärtigem, aber „Unsichtbarem“ zu schaffen.
Ab dem 10. August wird im ersten Stock des Gropius Bau der Auftakt zu Pauls großer Einzelausstellung How Love Moves (2024) gezeigt. In How Love Moves: Prelude taucht eine Szenografie rund um die Drei-Kanal-Videoinstallation Cynthia Ke Sapne / The Dreams of Cynthia (2017) den historischen Schliemannsaal in einen Dämmerzustand zwischen Wachsein und Schlaf. Die Installation ist frei zugänglich und wird von dem Programm Six Days of Love begleitet, das sich zwischen August 2023 und Frühjahr 2024 als eine Reihe von filmischen Lesungen, Gesprächsformaten, Performances und akustische Aktivierungen entfaltet.
Kuratiert von Natasha Ginwala
Beitragsbild: Pallavi Paul, Changing Places in the Fire, Filmstill, 2022
ab dem 10. August