Marcin Jasiks abstrakte Gemälde haben ihre eigene visuelle Ausdruckskraft, die er durch individuelle ästhetische Filter reduziert, um ein Gefühl von offener Räumlichkeit und Leichtigkeit zu schaffen. Dies gelingt ihm durch feine Gesten, Linien und luftige Formen, die einen Zustand optischer Spannung kreieren. Auf seiner visuellen Suche nach dem Wesentlichen – der Essenz dessen, was wir sehen und beim Betrachten der Gemälde fühlen – baut Jasik seine minimierte Erzählung auf. Indem er dünne Farb- und Acrylschichten auf der Leinwand aufträgt, choreografiert der Künstler synaptische Kompositionen, die zeitweilig an die blassen Arbeiten John Zuriers oder die Werke Antonio Tapies erinnern. Jasiks Gemälde repräsentieren sein Streben nach einer neuen Perspektive und dem Versuch, die materielle und spirituelle Welt in Einklang zu bringen.
Jasiks Gemälde behandeln grundlegende Fragen über die Natur der menschlichen Existenz. Als Quelle für diese Fragestellungen dient das Fresko der Legende des Heiligen Franziskus von Giotto di Bondone aus der Basilika von Assisi. Jasik abstrahiert die Grundlinien aus der Szene, in der Franziskus auf seinen irdischen Besitz verzichtet. Jasik nutzt die horizontale Gliederung der Handlung des Heiligen, indem er sie mit seiner Interpretation eines visuellen Dialogs zwischen dem Weltlichen (der Erde) und dem Heiligen (dem Himmel) kombiniert, und dabei versucht, Franziskus‘ Geste zu erfassen. Um dies visuell umzusetzen, führt Jasik im unteren Teil der Leinwand einzelne Ebenen durch schwarze horizontale Linien aus gesprühter Farbe auf. Im oberen Teil des Gemäldes verwendet er verschiedene helle Pastellfarben, durch die eine Art Beleuchtung erzeugt wird. Diese setzt ihrerseits den tiefen Rotton frei, der die Trennung zwischen beiden Farbfeldern intensiviert. So ist jedes seiner Werke durch diese sinnliche Sprache der Linie und des Schattens miteinander verbunden, welche die räumliche Übertragung eines inneren geistigen Zustandes der Meditation darzustellen versucht.
Bei der Wahrnehmung von Jasiks Werken ist es wichtig, die Schwierigkeit zu verstehen, die hinter diesen scheinbar mühelosen Strichen und Ausdruckslinien liegt. Er überlässt nichts dem Zufall, versucht aber gleichzeitig seine eigene Präsenz auf ein leises Flüstern zu reduzieren. Jasik nähert sich seinen Bildern hierfür in einer sorgfältig abgestimmten Weise: Die Farbe wird sparsam eingesetzt und erweckt dadurch den Eindruck, tiefere Ebenen zu verschleiern – den Betrachtenden den vollen Zugang zu der Arbeit zu verweigern. Jasiks Arbeiten fordern jedoch nicht zu analysieren auf, sondern zum Auffangen einer Erfahrung.
Jasiks Herangehensweise an die Abstraktion fällt in die traditionellen polnischen Parameter der Malerei. Sie folgt den Werken und Theorien von Władysław Strzemiński, der in seiner Theorie des Sehens (posthum 1958) die existentielle Welt als eine sich ständig entwickelnde Einheit betrachtet, die von der Geschichte und den äußeren Umständen – sowohl kulturell als auch sozial – beeinflusst wird. Die Kuratorin Paulina Olszewska schrieb einmal: „Strzemiński argumentierte, dass im Prozess des Sehens nicht wichtig ist, was das Auge mechanisch erfasst, sondern was wir selbst in diesem Sehen erkennen.“ Marcin Jasik ist ein seltenes Beispiel für einen jungen Künstler, der sich dieser Praxis verschrieben hat, die nicht von Mainstream-Trends, sondern seinen individuellen Denkmustern herrührt.
Marcin Jasik (*1990 in Warschau, Polen) machte seinen Abschluss an der Fakultät für Malerei der Kunstakademie in Warschau. Er nahm an mehreren Einzel- und Gruppenausstellungen in Polen wie auch im Ausland teil. Im Jahr 2022 war er Finalist für den STRABAG Art Award in Wien. Seine Werke befinden sich in privaten und institutionellen Sammlungen wie der Svetlik Art Foundation, der STRABAG Artcollection und der mBank Sammlung.