Die Moderne hat die Malerei mit dem Befund gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit konfrontiert. Keine Theorie konnte seither begründen, warum noch immer gemalt wird und weshalb das auch den Letzten etwas angehen sollte. Der dennoch so überaus erfolgreiche Überlebenskampf der Malerei geht im 20. Jahrhundert auf eine besondere Strategie der Künstler zurück, nämlich die traditionellen Mittel der Malerei in zeitgenössische Gestalt zu bringen. Die Legitimation dieser Disziplin gründet auf den unerschöpflichen Möglichkeiten, mit Farbe, Fläche, Form, Linien, Licht und Masse, neue, nie dagewesene Bilder hervorzubringen. Und so durchsetzungskräftiger diese Strategie in der Metropole Paris auch ausgeprägt war, fand sie nach 1960 in Westberlin in der Galerie von Michael Werner und in den Endneunzigern in der Contemporary Fine Arts Galerie von Nicole Hackert und Bruno Brunnet eine neue Heimat.
Maki Na Kamura stellt ihre neuen Bilder nun in die Tradition dieser Galerien. In einem Akt der Konzentration hat sie den auf ihrem Metier lastenden Legitimationsdruck wahrgenommen, als Problem erkannt und eine bemerkenswerte Lösung gefunden. Die traumhafte – oder albtraumhafte – Buntheit der Palette, ist das auf die zeitgenössische Situation angepasste Signal von Maki Na Kamura, aus dem schon viel zu lang andauernden Dämmerzustand der Malerei endlich wieder aufzuwachen.
Sie stellt die Malerei elementar auf Male um. Damit sind jene stets deutlich konturierten, flächigen und unterschiedlich strukturierten Farbeinheiten gemeint, aus denen sie das Bilderganze organisiert. Mit dem Mal erfindet Maki Na Kamura einen strikt ambivalenten Bedeutungsträger, der über die sechs traditionellen hinaus eine siebte, zeitgenössischen Bildkonstituente ins Spiel bringt: nämlich die Betrachtenden mit deren Assoziationsvermögen. Sie erschafft ein bisher ungekanntes, virtuelles Darstellungspotenzial des Bildes, in dem die Malerei mit traditionellen Mitteln sich insgesamt wieder aufrichten kann.
Dafür hat Maki Na Kamura einen umfangreichen Katalog an Körpermalen zusammengetragen, der ihre Figurenerfindungen einerseits an die traditionelle Malerei zurückbindet und sich andererseits für die zeitgenössischen Figurenphänomene öffnet. Die Generalisierung erlaubt, aus Figuren Luca Signorellis und denen der K-Pop-Tänzer neue Figuren zu synthetisieren. Über diese zeitgenössische Figuration stellt Maki Na Kamura den epischen Charakter der klassischen Malerei wieder her, dessen Erzählung allerdings den Betrachtenden überlassen bleibt. Der virtuelle Bildgehalt erschließt sich aus den Augenwinkeln, dort, wo sich der Instinkt zur Gestaltsvervollständigung in jedem Menschen erhalten hat. Ihre ganze irrationale Kraft entfalten die neuen Bilder von Maki Na Kamura spontan, wenn man an ihnen vorbeigeht. Und dann staunend zurückkehrt.
Maki Na Kamura lebt und arbeitet in Berlin.
Die Doppelausstellung eröffnet am Freitag, den 15. September 2023 von 18 – 21 Uhr und ist bis 4. November 2023 parallel in der Galerie Michael Werner Berlin, und in der Contemporary Fine Arts Galerie zu sehen. Im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König erscheint zu der Ausstellung ein Katalog.
Maki Na Kamura – Doppelausstellung
15. September 2023 – 4. November 2023
Michael Werner Galerie / Contemporary Fine Arts