Valentina Murabito – La donna del mare
Valentina Murabito entführt bei 68projects by KORNFELD in eine faszinierende Welt, in der Mythologie, Natur und Fotografie auf außergewöhnliche Weise verschmelzen.
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Wie verhält sich ästhetische Lust in der Erfahrung von Kunst zur erotischen, sexuellen Lust? Für philosophische Ästhetiken des 18. Jahrhunderts war es grundlegend, die ästhetische Lust – Sinnbild kultivierter, geistiger Erfahrung und Grundlage eines kritischen Werturteils – von der sexuellen Lust – Ausdruck körperlicher Affiziertheit oder eines niederen, fleischlichen Triebs – strikt zu unterscheiden. Das „interesselose Wohlgefallen“ am Schönen, wie es Immanuel Kant charakterisierte, ist vor allem auch in erotischer Hinsicht interesselos. Das Sexuelle war für Kant grundsätzlich verdächtig, da es dazu führe, Menschen als Mittel für den eigenen, erotischen „Appetit“ zu instrumentalisieren. Der von jedwedem Interesse gereinigten, transzendentalen Ästhetik Kants hielt Theodor W. Adorno in seiner Ästhetischen Theorie vor, sie werde „zum kastrierten Hedonismus, zu Lust ohne Lust“.
Pierre Bourdieu zufolge ist die Ablehnung der Genüsse des Fleisches unter Philosoph*innen ein Mittel, moralische Überlegenheit sowie Distanz zum Chaos der menschlichen Körperlichkeit zu sichern. In dieser Tradition argumentierten später (vor allem männliche) Kunsthistoriker*innen für die Abgrenzung erotischer Kunst vom Pornografischen oder Obszönen, indem sie den weiblichen Akt als zeitlose Formvollendung feierten. Demgegenüber wurde die Unterscheidung zwischen sexueller und ästhetischer Lust in den 1970er Jahren von Feminist*innen zum Produkt ideologischer und hegemonialer Rahmenbedingungen erklärt – mit unterschiedlichen Folgen für die Bewertung sexuell anreizender Kunst.
Das Symposium „Lust“ soll dazu anregen, die sexuelle und die ästhetische Lust nicht einfach nur gemeinsam, sondern als Kontinuum körperlicher Affiziertheit zu denken, der ein kritisches Potential inhärent ist. Welche politische Effektivität vermag eine Lust an der Kunst zu entwickeln, die ihre Fleischlichkeit nicht verleugnet und die ihre Befriedigung (auch) in der momentanen Intensivierung leiblicher Affekte sucht? Welche Form der Kritikalität wohnt der Lust queerer, rassifizierter oder be_hinderter Körper inne, wenn sie als minoritäre Form der Wissensproduktion verstanden wird, die die Beschränkungen von Souveränität und Subjektivität in weißen, heteronormativen, ableistischen Herrschaftsstrukturen überschreitet? Gleichzeitig lässt sich das Versprechen einer gesteigerten Lust leicht von eben jenen Herrschaftsstrukturen des Neoliberalismus vereinnahmen, die Skripte des Lustvollen vorgeben und konsumistisch instrumentalisieren. Wäre eine libidinöse Lust am Ästhetischen als Verweigerung gegenüber Verwertungsmechanismen zu begreifen, gegen die auch die Kunst nicht per se resistent ist, aber der sie sich kontinuierlich zu entziehen vermag? Und inwieweit bieten künstlerische Auseinandersetzungen hier einen Weg, sowohl neoliberale Effizienz- und Selbstoptimierungsparadigmen als auch die Idee eines unpolitischen, selbstgenügsamen Hedonismus zu unterwandern? Welche Rolle spielt dabei die Frage nach Kollektivität, wenn populäre Narrative die Erfahrung von Lust als ein intimes, verinnerlichtes Erlebnis beschreiben und dabei übergehen, dass sie zugleich immer auch eine Relation – zu anderen Körpern, Objekten oder Fantasien – einschließt? Eine derart relational gedachte Lust wäre nicht der Suche nach individuellen Erfahrungen geschuldet, sondern der Intensivierung leiblicher Empfindung als verbindendes und mobilisierendes Weltverhältnis.
Ein Projekt des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) und von TEXTE ZUR KUNST.
Eintritt frei
In englischer Sprache
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