Auch spannend für dich:

INSELGALERIE Berlin zeigt: MeeresStern
11. Februar 2025 - 8. März 2025

Die drei Künstlerinnen arbeiten mit ihren unterschiedlichen Herkunftsreligionen, die sie zwar verlassen haben, deren Prägungen sie aber noch immer spüren. Monika Funke Stern kann jederzeit das kindliche Staunen und die Verstörung angesichts der überbordenden Bilderwelt des rheinischen Katholizismus abrufen. Die in den Niederlanden im Geist des Calvinismus erzogene Maria Korporal erinnert sich an dessen Purismus, der Bildnisse eher ablehnt. Und doch war es ein religiöses Bild bei den Großeltern, das ihre kindliche Fantasie beschäftigte. Es stellte den breiten und den schmalen Weg dar, von dem Jesus sprach. Die israelische Künstlerin Ruthi Helbitz Cohen zitiert das biblische Buch Ruth, um darin wie in all ihren Werken die Conditio féminine zu untersuchen. Mit ihrer Installation „The Book of Ruth“ aus Video und Collagen auf Textil interpretiert sie die Geschichte von Ruth und Noomi neu.
Die Religionen sind Anlass der gemeinsamen Ausstellung, jedoch nicht das Thema. Sie liefern lediglich den Baukasten, mit dessen Teilen die Künstlerinnen spielen, um weiter ihre Themen zu bearbeiten. Monika Funke Stern geht es um die konstruierten Ebenen der Wirklichkeit in Film und Fotografie. Ruthi Helbitz Cohen rührt an unserer Wahrnehmung der menschlichen Figur, insbesondere der weiblichen und Maria Korporal spielt mit der Multimedialität, um immer wieder neue Korporal-Qosmoi zu erschaffen, diesmal eben den Qalvinist-Qosmos.
Maria Korporal
Qalvinist Qosmos besteht aus einer großen Wandzeichnung, die ich live während der Ausstellung anfertigen werde. Inspiriert vom calvinistischen Gemälde „Der breite und der schmale Weg“, füge ich der Zeichnung Codes hinzu, die beim Scannen animierte Augmented-Reality-Szenen erzeugen. Ein zentrales Motiv ist das Auge Gottes, das – wie in meiner Kindheit – jeden meiner Schritte überwacht. Ein besonderer Code auf meinem Rücken lässt während des Zeichnens abwechselnd weiße und schwarze Flügel erscheinen, sodass Engel und Teufel symbolisch Besitz von mir ergreifen, während ich den „breiten oder schmalen Weg“ betrete.
Begleitet wird die Installation von meinem neuen 360° Virtual Reality Video-Werk As the deer pants, in dem ich geflügelt den schmalen Pfad entlanggehe, während gezeichnete Animationen meinen Weg kreuzen. Diese Werke spiegeln einerseits meine persönlichen Erinnerungen wider, andererseits untersuchen sie die heutige Rolle des Calvinismus, in dem Themen wie Sünde, der Teufel und die Sehnsucht nach Gott das Leben prägen.
Ruthi Helbitz Cohen
Ich möchte eine kleine, aber bedeutende Veränderung in der Beobachtung und dem Verständnis des Betrachters bewirken. Ich möchte sein Interesse wecken, ihn näherkommen lassen und den Kopf verdrehen lassen. Ich möchte ihn an dem zweifeln lassen, was er für wahr, real und akzeptabel hält. Ich möchte, dass meine Bilder nicht funktionsfähig sind, ich möchte, dass der Betrachter Einwände erhebt. Ich möchte, dass das Bild einen unangenehmen, aber gleichzeitig wünschenswerten Denkprozess erzeugt, der den Betrachter dazu bringt, diese Verzerrung besitzen zu wollen.
Monika Funke Stern
Die reiche Bilderwelt des katholischen Glaubens hat mich als Kind zutiefst beeindruckt und ebenso verstört. Längst habe ich mich von der Kirche distanziert, aber deren barocke Phantastik lebt weiter in meinen Bildern, Schriften und Filmen, die seitdem eher subversiv daherkommen. Mein Buch „Am weißen Sonntag trugen Mädchen schwarze Lackschuhe“, 1979 im Rotbuch Verlag erschienen, könnte das Storyboard zum katholischen Rheinland und zur Adenauer-Ära sein.
Die großformatigen Fotografien „Lilie“ und „Rose“ beziehen sich auf die Marienverehrung, sind Sinnbilder, zugleich sinnliche erotische Darstellungen des weiblichen Geschlechts. Der Meerstern, der die Schiffe lenkt und versenkt, wird in verschiedenen Szenen aufgewühlter Wellen, des wütenden Meeres angerufen. „Um Mitternacht sahen wir stehendes Eis“, so staunte Chamisso auf seiner Weltumsegelung, als er am Nordpol angekommen die Eisberge sah. „Diluvium“ beschwört sowohl die alttestamentarische Sintflut als auch den Klimawandel. „Terrorismus und Glaube“, eine Familienaufstellung. In den Wellen des Schwarzen Meers spiegelt sich der „Engel mit Schwert“. „Paradise lost“, die Begegnung mit dem Tod, „Burbulina“, die Piratin der Meere, „Zerreißprobe“, das Sinnbild des Agnostizismus.