Sie verbindet das Hinterfragen der Assoziationen mit dem, was wir basierend auf Wissen und Erfahrung in der Verknüpfung eines Bildes mit den es definierenden Worten sehen und annehmen. Dieser Prozess der Entkopplung bricht mit der Identitätsbeziehung zwischen dem Verbalen und Visuellen und fördert abstraktes Denken.
Die Kombination von Text und Bild hat eine lange Geschichte in der Kunst, insbesondere mit dem Dadaismus, Surrealismus, Fluxus und dem Aufkommen der Konzeptkunst im vergangenen Jahrhundert. Die Künstler:innen der 1960er- und 1970er-Jahre behandelten Sprache als ein gleichwertiges Element in ihren Arbeiten und schufen auf diese Weise neue Perspektiven auf die Interpretation und Präsentation ihrer Ideen. Die Ausstellung führt diesen Dialog fort, mit einer Werkauswahl aus den letzten drei Jahrzehnten.
Jarosław Kozłowski und Kristján Gudmundsson sind zwei der wichtigsten Konzeptkünstler, die aus Polen und Island hervorgegangen sind. Ihre künstlerischen Praktiken mögen sich in Anwendung und Vorgehensweise unterscheiden, aber beide verbindet, wie sie Sprache, Symbole oder grundlegende Objekte verknüpfen, um abstraktes Denken durch Interpretation zu provozieren.
Seit den frühen 1970er-Jahren untersucht Jarosław Kozłowski den Einsatz von Sprache als einen essentiellen Teil konzeptueller Kunst. Er hinterfragt, wie sie durch Zeichen, Gesten, Farben, Worte und deren Wiederholung symbolisch repräsentiert und definiert werden kann, um deren kontextuelle Bedeutung zu begründen. Sein gesamtes Oeuvre stellt einen konstanten Strom von Fragen dar, und wie er selbst sagt: „Ich adressiere diese wiederholt, weil sie immer noch relevant sind.“ Die ausgestellte Serie “Small Images” befragt den Status des Bildes und seines Untertitels. Diese Werke folgen dem Prozess der Wahrnehmung und der Rolle der Imagination bei deren Interpretation.
Kristján Gudmundsson ist eine der Schlüsselfiguren der zwar kurzlebigen, jedoch einflussreichen Bewegung progressiver Künstler:innen namens SUM. Diese Gruppe forderte die künstlerischen Praktiken in Island in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren radikal heraus und erneuerte sie schließlich. Stetig stellt er infrage, was Kunst ausmacht, indem er unsere Annahmen darüber, was sie ist, auf den Kopf stellt. Gudmundssons Werke sind von seiner minimal-ästhetischen Philosophie angeregt, die ihren Ausdruck in der Form findet, wie sie ausgeführt wird, um mit einem schlichten Sinn für Poesie im Einklang zu sein. Er ist ein Dichter der Prägnanz, der die unbegrenzte Abfolge wiedererkennbarer Objekte durchforstet und unser Verständnis von dem erweitert, womit wir umgeben sind. In seiner ausgestellten Arbeit “Norwegian Color Poem” spielen Farbelemente auf jeweils vier Ebenen mögliche Variationen und Funktionen zwischen Präpositionen wie „oder“ – „und“ aus und definieren die räumliche Position sowie Anordnung eines Objekts.
Dominik Lejman erhielt 2018 den renommierten Preis der Akademie der Künste Berlin für die Neudefinition des Mediums der Malerei. Indem er abstrakte geometrische Malerei mit Videoprojektionen kombiniert, bereichert Lejman seine Gemälde um ein Narrativ – Gewebe und Text, „Zäune“ von Zweifel zwischen Offenbarung und Verwerfung, Euphorie und Fall, Elysium und Gefängnis, wie Hubertus von Amelunxen schrieb. Die malerische Ästhetik des Künstlers, gepaart mit der mechanischen Projektion in Erinnerung an Marcel Duchamp, machen die Interpretation dessen möglich, was sichtbar und was unsichtbar ist, Dopplungen und palimpsestartigen Überlagerungen, das Erscheinen und Verschwinden von Körpern, grausame Enthüllungen und Verschleierungen. Das Gemälde “After Hours” entstand als Teil einer Kollaboration zwischen Dominik Lejman und dem US-amerikanischen Dichter Howard Altmann, in welcher das Konzept der Malerei eine „Bühne“ für dessen einzigartige performative Gedichte darstellt.
Milja Laurila und Ville Kumpulainen nutzen die Fotografie als konzeptionelles Werkzeug und sind beide Teil der Bewegung der Helsinki School. Laurila sammelt Fotografien aus alten Enzyklopädien, um zu untersuchen, was mit ihnen geschieht, wenn sie ihrem ursprünglichen Kontext des visuellen Wissens herausgelöst werden. Die Serie “Atlas und Grundriss der Psychiatrie” wurde von einem deutschen Buch zur Psychiatrie von 1902 inspiriert. Dieses beschreibt nicht nur unterschiedliche Typen mentaler Krankheiten, sondern dokumentiert diese auch visuell. Damals nahm man an, dass sich psychische Erkrankungen in der physischen Erscheinung manifestierten, dass man sie also sehen könne. Standardmäßig wurde die Physiognomie der Patient:innen bis ins Detail beschrieben. Die Bedeutungen, die einer Fotografie zugeschrieben werden, hängen stark von Kontext, Praktiken und den Situationen ab, in denen sie genutzt wird. Das Porträt einer Person mit dem Untertitel „psychisch krank“ will uns glauben lassen, dass diese Person tatsächlich psychisch krank ist. Aber was passiert, wenn die Bildunterschrift fehlt? Scheint die Person dann immer noch psychisch krank?
Ville Kumpulainen untersucht das Ungesehene, indem er mit der Kamera neue Dimensionen und visuelle Realitäten aus einer anderen Perspektive einfängt, ausgehend von seiner Sammlung alltäglicher Gegenstände, mit denen wir uns alle umgeben. Anschließend macht er sich daran, die intrinsischen Stimmen dieser Objekte zu finden, wobei er sie mit Fragmenten und Worten kombiniert, die er über die Jahre in Zeitschriften und Büchern gesammelt hat. Scheinbar nutzlose Gegenstände gewinnen eine neue Bedeutung, wenn sie mit zweckfremden Worten verknüpft werden. Kumpulainen fordert die Betrachtenden mit seiner Zusammenstellung von Bildern heraus und definiert ihre Form mittels Wörtern, die mit anderen Bedeutungen assoziiert werden, neu. Anschließend kombiniert er diese textlichen Dissoziationen auf poetische Weise mit Abstraktion, um unsere Vorstellungskraft umzulenken. Kumpulainen sagt: „Mein künstlerisches Schaffen visualisiert die unerwarteten und inkonsequenten Denkweisen, die man im kreativen Prozess suchen und eindrucksvoll entdecken kann.“