Zerteilen, demontieren, freilegen, öffnen, auflösen – Segmentieren, neu zusammenfügen, überlagern, schichten. In ihrer dritten Einzelausstellung bei Kuckei + Kuckei, zeigt Fiene Scharp neue Papierschnitte, Zeichnungen und Objekte, die sich im Spannungsfeld von Konstruktion und Dekonstruktion bewegen. Ihre Materialien sind antiquarische Rasterpapiere, Millimeter- und Logarithmenpapiere oder Schnittmusterbögen. In dem sie die Papiere zerlegt und anschließend neu kombiniert und bündelt, schafft sie dreidimensionale Strukturen, lineare Zeichnungen und organische Netzwerke.
Das Ergebnis sind Arbeiten, in denen sowohl der destruierende Entstehungsprozess als auch das konstruktive Moment Spuren hinterlassen und neue, komplexe Kompositionen sichtbar werden. Eine der ausgestellten Werkgruppen besteht aus kompakten Plexiglaskästen im klassischen Din A4- und A3-Format. Diese Objekte beinhalten mehrere, hintereinander gestaffelte und durch Glasscheiben voneinander getrennte Papierschnitte. Als Grundlage für diese Papercuts dienen ihr unterschiedlich farbige Millimeterpapiere, Buchhaltungsseiten oder gerasterte Formulare. Mit einem Skalpell schneidet die Künstlerin die Zwischenräume heraus, so dass feine Gitternetze entstehen, die aber durch den Prozess des Schneidens auch immer wieder verletzt und mit kaum sichtbaren „Fehlern“ durchsetzt sind. Durch die Schichtung mehrerer Papierschnitte bilden sich räumliche Gefüge mit offenen Stellen, die die Möglichkeit eröffnen, auf die darunterliegenden Ebenen zu schauen.
Der Rhythmus der Raster und die durchbrochene Regelmäßigkeit erinnern an engmaschige Gewebe, architektonische Fassaden, oder lassen Assoziationen an Systeme und Zellen zu. Eine weitere Werkgruppe vereint verschiedene antiquarische Rasterpapiere, die von Fiene Scharp zu einem Papier zusammengefügt und anschließend mit dem Skalpell bearbeitet wurden. Durch die Gruppierung und Verbindung entsteht eine Art Cluster, ein Verbund aus diversen Ordnungs- und Gliederungssystemen, der wie eine lineare Zeichnung vor dem Hintergrund des Bildes schwebt. Bei einer Reihe von vier schwarzen Papierschnitten hat die Künstlerin zunächst eine Rasterzeichnung mit Stempel und Ausziehtusche auf Papier angelegt. Durch die Unregelmäßigkeit des Druckbildes werden imperfekte, organische Netzwerke erzeugt. Die weißen Flächen des Papiers wurden anschließend herausgeschnitten, so dass nur die schwarzen Gitterzeichnungen stehen bleiben.
Fiene Scharp, geb.1984 in Berlin, studierte Bildende Kunst und Literatur an der Universität der Künste und der Humboldt-Universität in Berlin und erhielt 2012 den Meisterschülerpreis des Präsidenten der Universität der Künste. Sie war Stipendiatin der Stiftung Kunstfonds Bonn, der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Dorothea-Konwiarz-Stiftung und des Künstlerhauses Schloss Wiepersdorf. 2021 gewann sie den Paper Art Award und wurde Preisträgerin des Losito- Kunstpreises.
In den vergangenen Jahren nahm sie an zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen teil – unter anderem im Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt, im Kunstmuseum Stuttgart, in der Kunsthalle Bremerhaven, Im Gustav-Lübcke-Museum Hamm, im Centre for Recent Drawing (UK) sowie im Design Museum den Bosch (NL), oder dem Musée Charmey (CH). Ihre Arbeiten sind in öffentlichen Sammlungen, wie dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, dem Kunstmuseum Stuttgart, der Sammlung Ritter, dem Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt und dem Haus des Papiers vertreten.
Fiene Scharp – Destrukt Konstrukt
10.3.2023 – 22.4.2023
Kuckei + Kuckei