In den Simulationen der Evolutionsgeschichte werden in der Regel Diagramme mit Baumcharakter verwendet, also aufstrebende Stämme, von denen Zweige und immer feinere Verästelungen ausgehen. In seinem Buch »Darwins Korallen« (2005) hat Horst Bredekamp zu zeigen versucht, dass Charles Darwin erst im letzten Moment der schriftlichen Fixierung seines Evolutionsmodells von alternativen Visualisierungskonzepten abließ, die weitaus angemessener erschienen, sein Prinzip der Evolution zu verdeutlichen. Hierzu gehörte vor allem die Koralle als Modell einer eher horizontalen und weniger hierarchischen Verästelung. Um das Revolutionäre seiner Sicht zu verdeutlichen und den Bruch andererseits nicht zu groß erscheinen zu lassen, hat Darwin jedoch das überkommene Baummodell, das für die Wissens- und Kunstgeschichte längst eingeführt war, übernommen.
Im ersten Teil des Vortrages wird Horst Bredekamp die Ergebnisse seines Buches zusammenfassen und über jüngere Gedanken zu diesem Komplex berichten, um im zweiten Teil die Bedeutung von Organismen anzuführen, die, ähnlich wie die Koralle, eigene Impulse für das Verständnis der Natur gegeben haben, und hierzu gehören Quallen und Pilze.
Horst Bredekamp (*1947 Kiel) gehört zu den bekanntesten und international renommiertesten deutschen Kunsthistorikern. Seine Forschungsschwerpunkte sind Bildersturm, Skulptur der Romanik, Kunst der Renaissance und des Manierismus, Politische Ikonographie, Kunst und Technik, Neue Medien. 1982 Professur für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg, seit 1993 Professur für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, zudem Gastaufenthalte u.a. am Institute for Advanced Study Princeton, Wissenschaftskolleg zu Berlin und Getty Center Los Angeles. 2000 Mitbegründer des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik (HZK) der Humboldt-Universität zu Berlin, dort Gründer der Abteilung Das Technische Bild. 2015-2018 Mitglied der Gründungsintendanz des Humboldt Forums Berlin. Seit 2019 Mitbegründer und Senior Researcher des Exzellenzclusters Matters of Activity.