Valentina Murabito – La donna del mare
Valentina Murabito entführt bei 68projects by KORNFELD in eine faszinierende Welt, in der Mythologie, Natur und Fotografie auf außergewöhnliche Weise verschmelzen.
mehr erfahren...
Beirut and the Golden Sixties: A Manifesto of Fragility lässt ein bewegtes Kapitel der jüngeren Geschichte Beiruts wieder aufleben: die Zeit zwischen der Libanonkrise im Jahr 1958 und dem Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs 1975. Die Ausstellung zeigt eine facettenreiche Auswahl von Künstler*innen, deren Drang nach formaler Innovation oft ebenso stark war wie ihre politischen Überzeugungen. Sie zeichnet das komplexe Spannungsverhältnis zwischen Beiruts Kosmopolitismus und den anhaltenden transregionalen Konflikten nach. Mit 230 Werken von 34 Künstler*innen und mehr als 300 Archivdokumenten aus fast 40 Sammlungen ist dies die bisher umfassendste Ausstellung zu einer entscheidenden Episode in der Geschichte einer Stadt, die bis heute die Last ihrer unversöhnlichen Ambitionen trägt.
„Das Programm des Gropius Bau betrachtet historische Entwicklungen aus einer zeitgenössischen Perspektive und verdeutlicht die Verflechtungen zwischen Kunst und soziopolitischen Konflikten. Die Ausstellung Beirut and the Golden Sixties richtet den Blick auf eine sich stetig wandelnde Stadt und erzählt von ihrer künstlerischen Neuerfindung. Auch mit dieser Ausstellung öffnet sich der Gropius Bau für bisher unterrepräsentierte Positionen und zeigt, wie Künstler*innen dazu beitragen, eine gemeinsame Basis zu schaffen und die politischen Diskurse um Geografie, Kultur und Geschichte zu gestalten.“
— Stephanie Rosenthal, Direktorin des Gropius Bau
Beirut and the Golden Sixties zeichnet eine kurze, aber intensive Phase des künstlerischen und politischen Aufbruchs nach. Drei Jahrzehnte lang strömten kontinuierlich Intellektuelle und Künstler*innen nach Beirut, während Revolutionen, Putsche und Kriege den Nahen Osten und den arabischsprachigen Teil Nordafrikas erschütterten. In Folge des 1956 erlassenen libanesischen Bankgeheimnis-Gesetzes floss immer mehr ausländisches Kapital in die Stadt; kommerzielle Galerien, freie Kunsträume und Museen florierten. Beirut war geprägt durch eine außergewöhnliche Vielfalt an Menschen und ihren Ideen. Doch unter der Oberfläche dieses Goldenen Zeitalters schwelten die zunehmend unüberbrückbaren Gegensätze, die sich schließlich in einem 15 Jahre andauernden Bürgerkrieg entluden.
„Wir freuen uns sehr, Beirut and the Golden Sixties im Gropius Bau in Berlin zu zeigen. Mit der Ausstellung setzen wir unser Bestreben fort, die Metanarrative der Moderne zu hinterfragen. Dafür stellen wir pulsierende Zentren der Kunstproduktion in den Mittelpunkt, die oft von der Kunstgeschichte marginalisiert werden. In Beirut and the Golden Sixties nähern wir uns der Epoche aus dem Blickwinkel der zahlreichen Krisen an, von denen Beirut aktuell erschüttert wird. Diese zeitgenössische Perspektive auf die Vergangenheit bietet einen neuen Zugang – und indem wir uns den kreativsten und kritischsten Köpfen einer ganzen Generation von Denker*innen und Künstler*innen zuwenden, ermöglicht er eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart.“
— Sam Bardaouil und Till Fellrath, assoziierte Kuratoren, Gropius Bau (seit 1. Januar 2022 Direktoren am Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin)
Die Ausstellung ist in fünf thematische Sektionen gegliedert und gibt einen Einblick in die enorme Bandbreite künstlerischer Praktiken und politischer Projekte im Beirut der 1950er bis 1970er Jahre.
Beirut war ein Zentrum des intellektuellen und künstlerischen Lebens im Nahen Osten. Mit seiner langen Tradition der freien Meinungsäußerung zog es Künstler*innen und Intellektuelle an, die vor autokratischen Regimen in anderen Teilen des Nahen Ostens flohen. Im ersten Teil der Ausstellung, The Place, untersuchen Künstler*innen aus verschiedenen Communitys der Region die problematische Vorstellung von Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ort.
Der Titel der Sektion ist einem Leporello von Etel Adnan aus dem Jahr 1974 entnommen.
Weltweit waren die 1960er Jahre von der sexuellen Revolution geprägt. Die Kunstszene Beiruts, in der zahlreiche Frauen und LGBTQIA+-Künstler*innen aktiv waren, beteiligte sich maßgeblich an diesen Debatten. Die zweite Sektion der Ausstellung, The Body, beleuchtet die Rolle Beiruts als Experimentierfeld und Austragungsort der Kämpfe gegen die Zwänge einer heteronormativen, bürgerlichen Gesellschaft.
Der Titel der Sektion ist einem Gemälde von Mona Saudi aus dem Jahr 1963 entnommen.
In Beiruts Kunstszene trafen die unterschiedlichsten Künstler*innen aufeinander, die sich einer breiten Palette von Techniken, Materialien und Stilen bedienten. Das kulturelle Angebot war äußerst vielfältig und wurde auch von internationalen Akteur*innen wie Max Ernst, André Masson, Wifredo Lam und Zao Wou-Ki mitgeprägt. Die dritte Sektion der Ausstellung, The Form, befasst sich mit den lokalen Diskursen zu verschiedenen modernistischen Tendenzen in Beirut, wobei ein Fokus auf der Sonderstellung der Abstraktion in den 1950er bis 1970er Jahren liegt. Zudem wird die Verbindung zwischen den politischen Überzeugungen der Künstler*innen und ihrer Zugehörigkeit zu einem Stil oder einer Schule, von der orientalischen Abstraktion bis hin zum Informel, herausgearbeitet.
Der Titel der Sektion ist einem Gemälde von Hashim Samarchi aus dem Jahr 1972 entnommen.
Die vierte Sektion, The Politics, befasst sich eingehend mit den Beziehungen zwischen Kunst und Politik in den Jahren vor dem Libanesischen Bürgerkrieg, bevor der Sektarismus sämtliche Bereiche des Lebens in der Stadt beherrschte. Während dieser Blütezeit der Kunst- und Kulturproduktion suchten die Künstler*innen nach geeigneten Ausdrucksformen für ihre unterschiedlichen Anliegen – vom utopischen Projekt des Panarabismus und postkolonialen Kämpfen bis hin zu spaltenden politischen Positionen gegenüber dem Kalten Krieg, dem Vietnamkrieg und dem Nahost-Konflikt.
Der Titel der Sektion ist einem Gemälde von Fateh al-Moudarres aus dem Jahr 1970 entnommen.
Die letzte Sektion der Ausstellung thematisiert die anhaltenden Auswirkungen des Krieges auf das kulturelle Schaffen in Beirut. Der Libanesische Bürgerkrieg forderte einen hohen Tribut von der lokalen Kunstszene: Galerien und freie Kunsträume wurden geschlossen, und Künstler*innen wanderten in mehreren Wellen nach Europa, in die Vereinigten Staaten und an den Persischen Golf aus – ein erster Ausblick auf das Geschehen im heutigen krisengeschüttelten Libanon. Der Ausbruch des Krieges und die anschließenden Verwüstungen offenbarten die Unversöhnlichkeit der politischen Kräfte und entlarvten den Mythos vom „Goldenen Zeitalter“.
Der Titel der Sektion ist einem Wandteppich von Nicolas Moufarrege aus dem Jahr 1975 entnommen.
Während Beirut and the Golden Sixties: A Manifesto of Fragility konzipiert und entwickelt wurde, kam es seit Oktober 2019 zu Massenprotesten in Beirut, der Explosionskatastrophe im darauffolgenden Jahr, einer noch nie dagewesenen Wirtschaftskrise im Libanon sowie der COVID-19-Pandemie. Die Ausstellung setzt sich mit einem zentralen Kapitel der Geschichte der Stadt auseinander und bewertet es im Hinblick auf die aktuellen Krisen neu. Die Künstler*innen und Filmemacher*innen Joana Hadjithomas und Khalil Joreige, die zwischen Paris und Beirut leben und arbeiten, haben für die Ausstellung eine immersive Multimedia-Installation entwickelt, die die Transformation von Kunstwerken durch Gewaltakte untersucht. Im Angesicht von Zusammenbruch, Katastrophe und Tod wirft die Arbeit die Frage auf: Können wir dem Chaos Poesie entgegensetzen?
Mit Arbeiten von Shafic Abboud, Etel Adnan, Farid Aouad, Dia al-Azzawi, Alfred Basbous, Joseph Basbous, Michel Basbous, Assadour Bezdikian, Huguette Caland, Rafic Charaf, Saloua Raouda Choucair, Georges Doche, Simone Fattal, Laure Ghorayeb, Paul Guiragossian, Farid Haddad, John Hadidian, Jumana Bayazid El-Husseini, Dorothy Salhab Kazemi, Helen El-Khal, Simone Baltaxé Martayan, Jamil Molaeb, Fateh al-Moudarres, Nicolas Moufarrege, Mehdi Moutashar, Aref El Rayess, Adel al-Saghir, Mahmoud Said, Nadia Saikali, Hashim Samarchi, Mona Saudi, Juliana Seraphim, Cici Sursock und Khalil Zgaib.
Beitragsbild: Aref El Rayess, Untitled, 1977–78; Courtesy: Saradar Collection © The Estate of Aref El Rayess
25.03.2022 – 12.06.2022
Auch spannend für dich: