Der rumänische Künstler Alex Mirutziu erkundet die Randgebiete des Sicht- und Darstellbaren. Die leicht hingeworfenen mäandernden Striche seiner Zeichnungen, die Mirutziu als “heimatlose Linien” beschreibt, kommen den dargestellten Objekten stets nahe, ohne sie jemals scharf zu konturieren.
Diese gewollte Vagheit, die Raum für Uneindeutiges, Missverständnisse sowie Begriffloses lässt, verleiht auch den Installationen und Performances des Künstlers ihren besonderen Reiz. Mirutzius Arbeiten vermessen die Peripherie der Dinge und fragen nach der Möglichkeit, in die feststehende Ordnung einzugreifen.
Wie viele Künstler seiner Generation, die im ehemaligen Ostblock aufwuchsen, nennt auch Mirutziu die durch den Filter der Medien sehnsüchtig betrachtete Kultur des Westens als wichtigen Bezugspunkt seiner künstlerischen Praxis. Dabei waren es nicht die popkulturellen Ikonographien, die heute die visuelle Ästhetik vieler kontemporärer Künstlern prägen, sondern radikale poetische und philosophische Ideen, die Mirutziu einen Fluchtweg aus der Enge des posttotalitären Rumänien wiesen.
Mirutzius Interventionen, wie das Beschriften von Körpern, das Übermalen von Fotografien oder das Montieren von an Rückspiegel erinnernde Objekte auf historische Artefakte, wirken oft krude, direkt und brutal. Sie entlarven das Verhältnis zwischen konkreter Realität und subjektiver Wirklichkeit als trügerisch und konstruiert. Wahrheit wird, wie der Titel der Ausstellung programmatisch festschreibt, nicht als moralische oder absolute Kategorie begriffen, sondern als leere Mitte innerhalb eines komplexen Systems von Zuschreibungen, Vermutungen und Fiktionalisierungen.
Seine am Eröffnungsabend aufgeführte Performance “The urgency of the idea of closure in drawing” verwirklicht Mirutziu unter dem Projektnamen “TAH29” (The Artist as Himself at 29), wobei er als Kollektiv gemeinsam mit seinem jüngeren Ich, symbolisiert durch eine Maske aus Graphit, auftritt. Die Arbeit befasst sich mit der Instabilität von Selbst-Narrationen und der unausweichlichen Verzerrung von zurückliegenden Ereignissen.