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AEROPLASTICS | Ju Young Kim

27. Juni 2024 - 27. Juli 2024

AEROPLASTICS | ju young kim 27 june – 27 july 2024
Ausstellungstext von Linda Franken

Muscheln sind in den Weiten der Weltmeere zu Hause. Einige Arten sind stark auf die spezifischen Bedingungen ihres Lebensraums angewiesen, andere sind anpassungsfähiger – sogar invasiv. Werden ihre Eier und Larven mit dem Ballastwasser von Frachtschiffen aufgesogen, reisen sie unfreiwillig von einer Region in die nächste. Aus ihren heimischen Gewässern heraus- gelöst, finden sie sich tausende Meilen entfernt in Umgebungen wieder, an die sie sich entweder anpassen oder denen sie erliegen.

Ju Young Kim (*1991 in Seoul, KR) platziert Muschelschalen auf einem Tablett-Tisch in der Form geschwungener Peitschenschlaglinien. Aufgespalten und in Bronze gegossen, spiegeln sich ihre Oberflächen im darunter montierten Spiegel. Ihre ursprünglichen Modelle stammen aus der Nähe koreanischer Küsten; diese Muscheln befinden sich nun in einer Installation aus Flugzeugteilen: Eight miles above sea level 4974 miles and 16 hours to reach you besteht aus einer Dreiersitzbank, die auf einem blauen Teppich steht und von einem maßstabsgetreuen Abschnitt eines Flugzeugrumpfs überragt wird. Die Flugzeugsitze sind auf ihre Aluminiumsilhouetten reduziert. Sie geben keine Hinweise darauf, wann oder wo die Reise beginnen und enden könnte. Kleine Bleiglasplatten ersetzen ihre Kopfstützen, ein Handwerk, das wir vielleicht mit wohnlicheren Orten oder Objekten verbinden. Ihre Muster erinnern an Breiten- und Längen- grade einer Luftfahrtkarte. Ähnlich den geschwungenen Linien des Klapptisches an einem der Sitze kontrastieren ihre weichen Farben und Formen die funktionale Zeitlosigkeit der umliegenden Flugzeugarchitektur.

Was geschieht mit uns dort oben in der Troposphäre? Wie Muscheln ihr empfindliches Inneres schützen, schirmen Flugzeuge uns von den harschen Bedingungen über den Wolken ab. Sie weben unsichtbare Fäden zwischen Geografien, Jahreszeiten und Systemen rund um den Globus und transportieren uns von einer Realität in die nächste. Eingekapselt in dieser künstlichen Umgebung lösen wir uns von Zeit und Raum und begeben uns in einen Zustand des Dazwischenseins. In ihrer Arbeit spürt Kim den inneren und physischen Distanzen nach, denen wir uns gegenübersehen, wenn wir ein Leben zwischen zwei Kontinenten führen. Ihre Werke greifen die Transiträume auf, in denen sich transnational Reisende regelmäßig bewegen, und erforschen dabei Prozesse von Identität, Transformation und Zugehörigkeit zwischen den Orten, die wir als Heimat empfinden. Wie viel von uns kommt mit, jedes Mal, wenn wir aufbrechen? Was lassen wir zurück?

In Kims erster Einzelausstellung bei max goelitz finden sich die Besucher:innen inmitten ihrer AEROPLASTICS Serie wieder. Ihre Skulpturen und Installationen kombinieren Flugzeugteile mit architektonischen Elementen im Jugendstil. An der Galeriewand ist ein Flugzeugdeckenpaneel montiert, das eine Bleiglaslampe enthält, deren Licht langsam ein- und ausblendet. Ein Paneel mit Bleiglasfenster wird durch ein spitz gebogenes Gitter geschützt. Neben einem „Exit“-Schild hängt eine gläserne Wandleuchte. Zwei verspiegelte Stahlrahmen lenken unseren Blick in und aus einem Flugzeug, ein leerer Bordtrolley zeigt Fragmente von nautischen und aeronautischen Karten auf seiner Oberfläche und in der Nähe schwebt ein zweiter Tablett-Tisch auf drei geschwungenen Stahlbeinen. Wenn man sich umsieht, erinnert die Verteilung dieser Elemente seltsam an eine Wohnung, deren Möbel jedoch von ihrem Zweck entfremdet sind. Sie bewegen sich zwischen High-Tech und Nostalgie, Transit und Zuhause.

Durch die Verwendung von Glas überträgt Kim die Dualität ihrer Installationen auf eine materielle Ebene: In seinem chemisch-physikalischen Zustand ist Glas weder traditionell flüssig noch fest. Es besitzt nicht die Fernordnung eines kristallinen Feststoffs, noch hat es die frei fließenden Eigenschaften einer Flüssigkeit bei Raumtemperatur. Seine atomare Struktur ist ungeordnet wie die einer Flüssigkeit, aber es ist starr und behält seine Form.

Im Rahmen ihrer Ausstellungen entwickelt Kim Editionen, für die sie Objekte sammelt, die ihr auf ihren Reisen begegnen. In Beuteln zusammengestellt kann es sich dabei um Souvenirs oder Gegenstände handeln, die man in einem Amenity Kit findet, wie eine Zahnbürste, ein Kamm oder ein leerer Behälter für Cremes. Die Künstlerin beschreibt diese Objekte als Geisterversionen ihrer eigentlichen selbst, Miniaturen, die speziell für die Stunden gemacht sind, die wir damit verbringen, große Entfernungen zu überwinden. Oft passt sie die Gegenstände an. Die Zahnbürste ist mit Jugendstil-Blumenmotiven graviert, das Bild eines Jugendstil-Salzstreuers dekoriert ein Salzpäckchen. Auf den neuesten Beutel hat die Künstlerin Fragmente einer Karte gedruckt. Sie sind Spuren eines Werkzeugs, das wir benötigen, um Himmel und Meere zu navigieren. Oder um uns zu orientieren, wenn wir uns in Zwischenzuständen verlieren.

Linda Franken ist Assistenzkuratorin an den KW Institute for Contemporary Art in Berlin. Neben ihrer kuratorischen Arbeit übernimmt sie die redaktionelle Leitung von Künstler:innenbüchern, wie zuletzt von Kameelah Janan Rasheed – in the coherence, we weep (2023). Vor ihrer Zeit in den KW arbeitete sie im Studio Julian Charrière und bei Kéré Architecture und hat 2021 ihren Master in Curating an der Universität Stockholm absolviert.

max goelitz
rudi-dutschke-strasse 26
10969 berlin
maxgoelitz.com

Details

Beginn:
27. Juni 2024
Ende:
27. Juli 2024
Veranstaltungskategorie:
Eintritt: -

Angebote:

thursday – saturday | 1 – 6 pm

the gallery is on the first floor and accessible via a small door operated elevator. Entry to the lobby via two single steps or ground-level access via the courtyard (86 cm wide), no automated doors.


Veranstaltungsort

max goelitz
Rudi-Dutschke-Strasse 26
Berlin, 10969 Deutschland
+ Google Karte

Veröffentlicht am: 28.06.2024 |

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