Ur-Berliner und Zugezogene, laute Familien und stille Einzelgänger, Blutjunge und Steinalte, Biedermänner, Hausfrauen und Paradiesvögel. In der Serie Eisenacher Hundert portraitiert der Filmemacher und Fotograf John Kolya Reichart 100 Menschen aus einer der buntesten Straßen Berlins. Die Besonderheit: Für jedes Lebensjahr von 1 bis 100 steht eine Person. So erzählt die Ausstellung in hundert Schwarzweiß-Portraits ein langes Menschenleben, zusammengesetzt aus vielen unterschiedlichen Biografien.
»Bist du Eisenacher*in?« lautete die erste Zeile des Aufrufs, den ich überall in der Eisenacher Straße verbreitete: An Hauswänden und Straßenlaternen, auf Bürgersteigen und in Ladenlokalen. Mein Ziel war es, Menschen zwischen 1 – 100 Jahren zu finden, die sich mit der Straße verbunden fühlen und Lust haben, Teil dieses besonderen Kiez-Projektes Eisenacher Hundert zu werden. Schon nach ein paar Stunden meldeten sich viele Interessierte zurück und so nahm das Projekt seinen Lauf.
Ich fotografierte mit einer 35mm-Kleinbildkamera, analog und in schwarz-weiß und stets mit einem ähnlichen Bildausschnitt, der die Protagonisten leicht untersichtig zeigt. So werden durch den immer gleichen fotografischen Stil Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Menschen deutlich. Gleichzeitig bringt jeder etwas ganz Eigenes, Unverwechselbares mit. Im zweiten Schritt traf ich alle Portraitierten nochmal, zeigte ihnen das ausgewählte Foto und führte mit ihnen lange Gespräche, die als Grundlage für die persönlichen Texte dienten.
– John Kolya Reichart
››Ich lese gerne gruselige Comics, liebe es, laut singend im Auto durch Berlin zu fahren und mache viel Sport mit meinen Freunden. Und ich gehe natürlich in die Schule, das ist eigentlich meine Hauptbeschäftigung. Ich bin kein leiser Typ. Das muss man leider sagen. Aber auf diesem Bild finde ich, dass ich sehr leise aussehe. Und eher ruhig als wild.‹‹
Fjodor, 10
Schüler
EISENACHER HUNDERT – Gesichter einer Straße
17. Juni – 29. Juli 2022
Vernissage: 17. Juni 2022, 17.00 – 21.00 Uhr