DOWN TO EARTH – Klima Kunst Diskurs unplugged läuft noch bis 13.9.2020 im Gropius Bau.
Kirsten Kohlhaw war für Kunstleben Berlin vor Ort
Für mich als Besucherin beginnt DOWN TO EARTH eigentlich bereits in dem Moment, in dem ich mein Fahrrad am Gropius Bau anschließe. Was ist mit Interessierten, die gern an dem Sommerprojekt im Rahmen der Programmreihe Immersion 2020 teilnehmen möchten, für die eine klimafreundliche Anreise jedoch nicht einfach möglich ist? Gehen sie raus aus ihrer Komfortzone, um an diesen Ort zu kommen – oder bleiben sie einfach außen vor? Und wenn ja, wie soll das gehen, wenn wir doch alle Teil des globalen Betriebssystems sind?
„Die Auswahl der Materialien für die Ausstellung (…) basierte auf Umweltaspekten sowie auf dem Versuch, den CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. So sind die Materialien zum größten Teil recycelt“ lese ich in der Begleitbroschüre der Berliner Festspiele. Neben der Programmvorstellung legen die Veranstalter hier auch den eigenen Ressourcenverbrauch offen und stellen entstandene Standards und Routinen in Frage: So wird unter anderem eine Photovoltaikanlage zur Stromgewinnung genutzt, insgesamt soll der projektbezogene und gesamte Energieverbrauch des Hauses zukünftig reduziert werden.
Um „die Grenzen zwischen Natur und Kunst für eine kurze Zeit porös“ zu machen, haben sich die Macher*innen und Teilnehmer*innen von DOWN TO EARTH selbst strenge Regeln auferlegt: „Vier Wochen ohne Strom, Lautsprecher, Videos, Screens, Beamer, Flugreisen, Scheinwerfer“. So reflektieren die einzelnen Beiträge von Ausstellungsparcours und Live-Art Programm, die täglich durch wechselnde Live-Programme ergänzt werden, auf unterschiedliche Weise unsere Rolle innerhalb dieser massiven Transformationserfahrung.
In der thematischen Ausrichtung spannen die Bilder, Collagen, Objekte, Fotografien, Installationen, Situationen, Musik, Workshops und Vorträge einen weiten Bogen. Erzählen zum Beispiel von der kolonialistischen Aneignung der Welt und Visionen zu internationaler Solidarität, spielen mit den Elementen wie Erde und Wasser, stellen unsere Umwelt über Oberflächen und (Un)Tiefen dar, werfen uns in menschengemachte Ordnungssysteme und zurück ins Chaos, das wir durch unseren ausbeuterischen Umgang mit dem Planten Erde produzieren.
Neu sind die Fragen, die hier zu den Grenzen des Wachstums und der unbedingten Notwendigkeit eines radikalen Umgestaltens gestellt werden, leider nicht. Repair Cafés und die Tiny House Bewegung sind bereits an vielen Orten selbstverständliche Beispiele einer Kultur gelebter Suffizienz, das weltweite Insekten- und vor allem Bienensterben beunruhigt uns über verschiedenste Erfahrungswelten bis in die Belletristik hinein. Die Leistung von DOWN TO EARTH besteht vielmehr darin, den eigentlich seit 1972 andauernden gesellschaftlichen Diskurs über unser Ökosystem und eine Wirtschaftsweise, die selbst im Jahr 2020 und mitten in einer Pandemie immer noch so tut, als ließe sich die ökonomische Mär vom unbegrenzten Wachstum auch auf einem immer volleren Planeten mit endlichen Ressourcen trotz aller Warnzeichen weiter fortschreiben, in den gegenwärtigen und zukünftigen Kunstbetrieb hinein zu verdichten und anregend weiterzudenken.
Mit Fréderique Ait-Touati, Bruno Latour, Alicja Kwade, Agnes Denes, Andreas Gursky, Simryn Gill, Femke Herregraven, Kirsten Pieroth, Corinna Vosse u.v.a.
Initiiert von Thomas Oberender
Kuratorisches Team: Julia Badaljan, Thomas Oberender, Anja Predeick, Tino Sehgal, Jeroen Versteele.
Kuratorische Mitarbeit: Fréderique Ait-Touati, Descha Daemgen, Stefanie Hessler, Marc Pohl, Joulia Strauss
DOWN TO EARTH ist noch bis zum 13.9.2020 im Gropius Bau Berlin zu sehen. Die nachhaltigen Auswirkungen der temporären und permanenten Veränderungen – auch in Bezug auf das eigene Energiemanagement – werden im Gropius Bau hoffentlich noch lange deutlich sichtbar sein. Auch der Garten, der auf der Südseite des Hauses entsteht, soll nach Ende des Sommerprojekts bleiben.
Text: Kirsten Kohlhaw
Bild: Kirsten Pieroth, Berliner Pfütze (Neukölln) (2020) | Andreas Gursky, Antarctic (2010) Foto@Kirsten Kohlhaw
Datum: 13.08.2020 – 14.09.2020