„SUPERPOSITION“ – Die Überlagerung von Kunst und Wissenschaft – Neue, radikal subtile Positionen über die Wahrnehmung: Am 22. Januar 2020 um 19 Uhr eröffnen in der Galerie DISKURS, Berlin-Mitte, die Galeristin Jung Me Chai und Kurator Olaf Schirm die Ausstellung “SUPERPOSITION”. Gezeigt werden bis zum 29. Februar Arbeiten von Lucas Buschfeld, Edith Kollath, Olaf Schirm und Sebastian Wolf.
DISKURS Berlin initiiert, vermittelt und entwickelt den Aufbau eines internationalen Netzwerks der zeitgenössischen Kunstszene insbesondere zwischen Deutschland und Korea.
Olaf Schirm, der diese Ausstellung als erste einer Reihe um die meist isoliert arbeitenden Künstler der Science-Art-Bewegung konzipiert hat, zählt sich selbst zu dieser Gruppe, deren Akteure er „Freie Radikale” nennt:
„Eine bisher überschaubare Zahl von technisch versierten, neugierigen Individuen, die keiner Gruppe angehören wollen und doch eine sind. Jeden einzelnen von ihnen zeichnet die Radikalität aus, einen Prozess so genau verstehen zu wollen, dass er durch den Künstler und sein – oft im Inneren komplexes und mühsam entstehendes – Werk wie ein Malmittel benutzt werden kann, um schließlich eine Geschichte zu erzählen oder auf innere und äußere Phänomene hinzudeuten. Diese Kunst fordert von dem Besucher und Interessierten die Zeit der Betrachtung, der Wahrnehmung. Wenn man sich diese Zeit gibt, dann wird man belohnt durch bleibende überraschende Erkenntnisse und Blickwinkel, die man nun in sich tragen kann.“
Lucas Buschfeld zeigt eine kleine Auswahl grafischer Arbeiten, die das Ergebnis eines eigens entwickelten Prozesses sind, welchen er
Onografie nennt. Onografien sind sehr reduzierte, zarte und grafische Momentaufnahmen des Ephemeren im Zeitpunkt des Vergehens.
Er lebt und arbeitet in Berlin. Kunststudium an der Kunsthochschule für Medien in Köln sowie am Institut für Raumexperimente, Klasse Olafur Eliasson, Universität der Künste Berlin. Seine Arbeiten wurden u.a. in Ausstellungen in der Neuen Nationalgalerie, im Hamburger Bahnhof, im Museum of Contemporary Art Tokyo, im Museum für Angewandte Kunst Köln und im ZKM gezeigt. Buschfelds meist installative Arbeiten, öffnen in der kontemplativen Betrachtung einen Raum für die sinnliche Wahrnehmung natürlicher Gesetzmäßigkeiten und erlauben es der/dem Betrachter/in ihr/sein Erleben einer objektiven physischen Realität um die Dimension einer sinnlich konstruierten Wirklichkeit zu erweitern.
Edith Kollath untersucht in ihrer künstlerisch-forschenden Praxis rekursive Bewegungen und Systeme – organische und digitale -, die offen für Kontingenz sind. Multimedial verfolgt sie das Vorhaben, dynamische Spannungsverhältnisse und fragile Zustände sinnlich erfahrbar zu machen und auf ihre sozialen und theoretischen Kontexte hin zu befragen. Sie studierte Kostümdesign und Bildende Kunst in Hamburg. Von 2006 bis 2009 war sie aktives Mitglied im Hackerkollektiv NYC Resistors in New York, USA. Von 2010 an leitet sie diverse Workshops und hat Lehraufträge, u.a. auch an der Bauhaus Universität Weimar, wo sie seit 2015 an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst promoviert. Sie erhielt zahlreiche Stipendien, ihre Arbeiten werden im internationalen Kontext präsentiert und ihre erste Monografie »Manoeuvre of Plenty« erschien 2013 im Distanz Verlag.
Olaf Schirm ist unter dem Namen Symboter seit den 70er-Jahren als Musiker in der elektronischen Musik und Klangkunst tätig. Sein Hintergrund der Biologie und Physik, gepaart mit seinen künstlerischen und Ingenieurs-Familienwurzeln führte zur Gründung von Unternehmen der 3D-Computeranimation, Echtzeit Motion Capture Technologie, Avatare und Chatbots, Forschungsrobotik und E-Couture. Er erhielt Auszeichnungen vom Royal College of Art London, Siggraph Los Angeles, Byte Magazine, Medikinale. Als internationaler Künstler im Bereich Science Art untersucht er Fragen der Wahrnehmung, der Zeit und der Mensch-Maschine-/KI-Beziehung. Olaf Schirm ist zudem Autor, Kunstsammler und Sprecher bei Podiumsdiskussionen und Konferenzen. Er kuratiert Ausstellungen von Sammlerkunst und Science Art.
Sebastian Wolf entwirft und konstruiert interaktive kinetische sowie Lichtinstallationen, angetrieben durch die Faszination für neue Technologien und deren ästhetisches sowie emotionales Potential.
“SUPERPOSITION”, die Hintergründe:
Der Philosoph William von Occam empfahl im Mittelalter, die Philosophie mit einem Rasiermesser von allem Überflüssigen zu befreien, also im Sinne der Kohärenz die einfachste Erklärung zu verfolgen. Das ist eine Methode, die im Alltag heute gerne in der Betrachtung unserer “realen” Welt zur Anwendung kommt, macht sie das Leben ja viel einfacher und befreit uns von der Abwägung unzähliger Möglichkeiten, die sich in jedem Augenblick bieten.
Der Stoff, aus dem alles entstand und entsteht, trägt nach den heutigen Erkenntnissen der Physik in sich die grundlegende Eigenschaft der Möglichkeit. Allem zugrunde liegt also die Wahrscheinlichkeit und nicht die Sicherheit, das wissen wir aus der Quantenphysik seit Max Planck, Niels Bohr, Werner Heisenberg und vielen anderen. Demnach verzichtet man auf Möglichkeiten, ja, man vernichtet sie sogar, wenn man sie nicht beachtet.
Das Gedankenexperiment des Nobelpreisträgers Erwin Schrödinger aus dem Jahre 1935 mit einer eingeschlossenen Katze in einer Box, einen tödlichen Mechanismus enthaltend, welcher mit 50%iger Wahrscheinlichkeit irgendwann auslöst oder auch nicht, führt zu der Erkenntnis, dass man nicht weiß, ob die Katze lebt oder nicht, solange man nicht nachsieht. Die Katze befindet sich gedanklich im Zustand der Superposition, der Überlagerung, von Sein oder Nicht-Sein. Im berühmten Doppelspaltexperiment von 1805 wird dies sogar sichtbar, da hier Licht gleichzeitig sowohl als Teilchen, als auch als Welle auftritt und unserer Wahrnehmung, dass etwas nur eines sein kann, völlig widerspricht.
Erst die Beobachtung, die Messung, das „Nachschauen“ zerstört die Überlagerung und bildet eine konkrete Erscheinungsform aus. Wie bei einem Wellenbrecher kollabiert die Wahrscheinlichkeitswelle und formt die eindeutige Realität. Die Katze lebt! …und es gibt keine Trennung von Beobachter und Beobachtetem…. Die zerstörerische Kraft der Beobachtung führt demnach auch zur Genesis, zur Entstehung, Auskristallisierung von Sicherheit im Quantenschaum der Möglichkeiten.
Ein weiterer Nobelpreisträger, kein Geringerer als Albert Einstein, konnte das nicht glauben, rüttelte es doch an seinem genialen Raumzeit-Konstrukt der Relativitätstheorie. Er fragte “Ist denn der Mond auch da, wenn ich nicht hinsehe?” und später meinte er weiterhin zu dem Thema “Gott würfelt nicht!”. Wir wissen inzwischen ja, der Mond ist tatsächlich da, weil er ständig durch Wechselwirkungen “gemessen” wird. Und Niels Bohr antwortete: “Ob Gott würfelt oder nicht, entscheidet nur Gott, denn er macht die Regeln.”
Die Ausstellung “SUPERPOSITION” möchte mit den Werken der beteiligten Künstler/innen den Aspekt der Realitätsformung durch Beobachtung in den Mittelpunkt ihrer Aussage rücken. Die Beschäftigung mit den ausgestellten Werken führt zur Formung von Erlebtem und dazu laden die Werke ein. Die Installationen haben neben ihrem künstlertypischen, skulpturalen, technischen Aufbau eine erzählerische Ebene, die sich im Inneren des Betrachters öffnet. Dies ist ein Grundbestandteil der Kunstrichtung “Science Art”, die sich hier erleben und erfahren lässt, wenn man bereit ist, sie wahrzunehmen und als Konsequenz die Gelegenheit erhält, neue Realitäten zu entdecken.
Eingebunden in das CTM Festival und die Transmediale, quasi als Vorspiel möglich, werden hier verschiedene Grenzen ausgelotet, eben auch die nach dem Unterschied zwischen Installationskunst und Wissenschaftskunst, nach der Rolle des Künstlers und vor allem eben der Rezipienten. Für die Presse und Institutionen wurde eine Preview organisiert, bei Interesse kontaktiert uns gerne.
Zur Einstimmung unten unser Video-Interview mit Olaf Schirm zur ‘Auslotung der Frequenz’ aus dem Jahr 2018.
Beitrag: Jana M. Noritsch
Copyright Bild: Olaf Schirm „SWARM“ kinetische Soundinstallation, 2019 (wird bei “SUPERPOSITION” uraufgeführt)
Datum: 22.01.2020 – 1.03.2020
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