Es war ein eigenes Erdbebenerlebnis, 2013 in Athen, das Jeongmoon Choi dazu brachte, sich künstlerisch mit der Lehre vom Bau der Erdkruste, der Tektonik auseinanderzusetzen. Auch für ihre Ausstellung „Climatonic“ bei KANG Contemporary widmet sich Choi dieser Thematik.
Die Künstlerin hat dabei nicht nur eine neue Installation entwickelt, sondern gleich auch einen neuen Begriff entworfen: Das von Choi aus den englischsprachigen Bezeichnungen für „Klima“ und „Tektonik“ zusammengesetzte Kofferwort „Climatonic“ benennt das weitgehend noch unbeachtete Phänomen der Beeinflussung des Klimas durch plattentektonische Prozesse, durch den Kontinentaldrift.
Chois Ausstellung „Climatonic: Floating Landscape“ macht diese Erd- und Klimabewegungen visuell und körperlich erfahrbar, sodass man sie mit dem eigenen Körper nachspüren kann: die aus vielen farbigen, elastischen Fäden bestehende, den Raum durchziehende Lichtinstallation „Floating Landscape“ imaginiert und symbolisiert wellenförmig, ähnlich einer Vektorgrafik, die Verschiebungen von Erdplatten. Grundlage für die Arbeit sind wissenschaftliche Aufzeichnungen von seismischen Bewegungen bei Japan – der Korea benachbarten Inselgruppe, bei der sich drei Erdplatten kreuzen.
Dadurch, dass die ursprünglich aus der Malerei kommende Künstlerin als Quelle des Lichtes, das die akkurat gespannten Fäden auch im Dunklen visuell hervortreten lässt, UV-Strahlen benutzt, beschreitet Choi das Grenzgebiet zwischen Raumzeichnung und Lichtkunst. Was dabei entsteht, sind sinnliche Effekte zwischen zweidimensionaler Aufzeichnung und deren dreidimensionaler Interpretation.
Zusätzlich zu „Floating Landscape“, das durch die Fensterfront der Galerie auch in den städtischen Raum ausstrahlt und insbesondere in der Dämmerung und bei Dunkelheit auch von außen eine eigene Wirkung entfaltet, zeigt Jeongmoon Choi im oberen Bereich von KANG Contemporary eine Anzahl teils auf den ersten Blick zweidimensional scheinender Arbeiten: hier handelt es sich etwa um als Notationen gezeichnete tektonische Stöße oder um Wandobjekte, bei denen streng vertikal angeordnete Fäden in der Form von offensichtlich überfrachteten Barcodes von der (Un-)Lesbarkeit menschlicher Erinnerungen an die Naturkatastrophen erzählen.
Text: Martin Conrads
CLIMATONIC: Floating Landscape. Jeongmoon Choi
21.01.2022 – 15.04.2022