Die Karten neu gemischt: im CLB “Navigating Berlin”. Unter dem Titel “Navigating Berlin” zeigt das CLB Berlin im Aufbau Haus am Moritzplatz eine sowohl künstlerisch wie kulturwissenschaftlich spannend angelegte Ausstellungsreihe rund um den Berliner Stadtplan in drei Kapiteln, bis 01.03.2020.
Die Karten neu gemischt: Navigating Berlin Unter dem Titel Navigating Berlin zeigt das CLB Berlin im Aufbau Haus am Moritzplatz eine sowohl künstlerisch wie kulturwissenschaftlich spannend angelegte Ausstellungsreihe rund um den Berliner Stadtplan in drei Kapiteln vom 30.11.2019 – 01.03.2020.
Verantwortet wird Navigating Berlin durch die Ausstellungskuratorin Lisa Gordon sowie den Projektleiter und Geschäftsführer des CLB Berlin, Dr. Sven Sappelt. Weitere zentrale Akteure sind neben Michael Müller, passionierter Sammler von Berliner Stadtplänen und Leihgeber des vor Ort präsentierten Kartenmaterials, auch der Künstler Olaf Kühnemann sowie das Künstlerkollektiv DISSS um Daisuke Ishida. Die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa ist Förderer des Ausstellungsprojekts.
Worum geht es beim Projekt? In der Ausstellungsreihe Navigating Berlin erwartet die Besucher*innen eine bislang noch nie öffentlich gezeigte Privatsammlung von Michael Müller mit historischen Karten und Plänen der Stadt Berlin, die vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart reichen. Pro Ausstellungskapitel wird in den folgenden gut drei Monaten eine Auswahl von über 90 Stadtplänen, Büchern und Fotografien aus dieser Kollektion gezeigt. Dabei liegt der Fokus jeweils auf einem anderen Aspekt der kartografischen Darstellung, sodass sich der Blick auf dieselbe Stadt immer wieder verändert – und zwar sowohl unter historischen als auch thematischen Gesichtspunkten.
Darüber hinaus präsentieren zeitgenössische Künstler*innen neue Werke. Diese greifen einzelne Themen der Ausstellung auf und schaffen durch Kommentierung, Perspektivwechsel und Ergänzung einen gegenwartsbezogenen Dialog mit dem Archiv. In den künstlerischen Positionen werden unter anderem Fragen nach der Navigation des Körpers und der Beziehung des Selbst zu seiner Umgebung gestellt. Nachgespürt wird hier aber auch den Formen der Verheimlichung und Auslassung im kartographischen Material. Es geht um Kognition und Macht. Das Ergebnis der künstlerischen und kulturwissenschaftlichen Reflexion ist ein vielschichtiger Ausstellungskosmos, der unsere Vorstellung von Berlin gerade in ihren Brüchen und Ungleichzeitigkeiten vergegenwärtigt.
Die Sammlung
Seit fast 20 Jahren sammelt der gebürtige Berliner Michael Müller Karten von seiner Heimatstadt und ihrer Umgebung. Mittlerweile umfasst seine Kollektion annähernd 450 Stadtpläne, Veduten und Atlanten, die teils bis ins Jahr 1737 zurück datieren – hinzu kommen weitere 150 Exemplare, die in digitalisierter Form vorliegen. Die archivierten Stadtpläne spiegeln geographische, historische und politische Gegebenheiten ihrer jeweiligen Zeit.
Die drei Kapitel der Ausstellungsreihe
Die Kuratorin Lisa Gordon hat drei Ausstellungskapitel zusammengestellt. Jedes Kapitel fungiert eigenständig, bietet verschiedene Perspektiven auf die Sammlung und verweist zugleich auf das übergeordnete Thema: die Geschichte der Darstellung der Stadt in Plänen und die Freilegung eines vielschichtigen und durchaus anderen Berlins aus seinen kartographischen Abbildungen.
Was bisher geschah:
Kapitel 1: Snapshots & Transitions
Zu Beginn der Reihe erwartet die Besucher ein Einblick in die Geschichte Berlins und lässt sie in die bis heute rätselhafte und abenteuerliche Welt der Kartografie eintauchen. Dabei werden die Besucher auf eine kartografische Reise durch die Stadt geführt, während ausgewählte Karten, Ausstellungsstücke und Begleittexte die Entdeckungstour abrunden. Dieses Veranstaltungskapitel lädt dazu ein sich auf die Spuren verborgener Erzählungen zu begeben, Bruchstücke der Stadtgeschichte zu entdecken und zu erleben, wie sich die Spreemetropole im Laufe der Zeit verändert hat. Mit Kunstwerken von Olaf Kühnemann und dem Künstlerkollektiv DISSS.
Olaf Kühnemann, Jahrgang 1972, lebt und arbeitet in Berlin. Auf der Grundlage eines alten Familienfotos hat er für die Ausstellung eine Zeichnung mit dem Titel Grid References: a Memory Map als mentales Koordinatensystem zwischenmenschlicher Beziehungen beigesteuert. Hingegen ist Berlin Sound Transition eine ortsspezifische Sound Installation, bestehend aus 16 im Raum verteilten Audiokanälen. Verantwortet wird das Projekt vom Künstlerkollektiv DISSS. Es wird betreut von Daisuke Ishida und präsentiert neue Arbeiten von Jonathan Bruns, Nico Daleman, Yun-Chu Liang, Oskar J. Mayböck, Enrika Myskovskaja, Samuel Perea-Díaz und Francis Sosta.
Was gerade läuft:
Kapitel 2: Design & Cognition
Öffnungszeiten: 11.01.2020 – 02.02.2020, Dienstag – Samstag, 13:30 Uhr – 18:30 Uhr.
Karten sind von einem eigenen System aus Symbolen, Maßstäben und Dimensionen geprägt, mithilfe derer wir die Welt um uns herum interpretieren und ausdrücken können. Wie einfach aber ist der Austausch zwischen dem Entwickler der Karten und deren Benutzer? In dieser Ausstellung steht nicht die Funktion der Berliner Karten als solche im Vordergrund, sondern sie werden als rhetorische Hilfsmittel und Navigationsinstrumente betrachtet. – Auf diese Weise, soll das Potential der Karten als kreative Artefakte mit dialogischer Kraft betont werden. Die Besucher sind eingeladen, in die faszinierende Welt der Legenden, Maßstäbe, Himmelsrichtungen, Netzwerke, Kartuschen und Vignetten einzutauchen.
Mit Kunstwerken von Elizabeth McTernan und Simon Faithfull: Im Mittelpunkt der Installation von Elizabeth McTernan steht eine Auseinandersetzung mit der Farbe “Berliner Blau”, wie sie einerseits bei der Visualisierung von Ozeanen und andererseits beim Handel mit Farbstoffen eine Rolle spielt. Geboren wurde McTernan 1981 in New York, seit einigen Jahren lebt sie in Berlin. Simon Faithfull, geboren 1966, lebt und arbeitet in Berlin und London. Seine Videoinstallation Orbital no.2: Berlin kreiert ein hypnotisches Bild aus drei kreisenden Bewegungen, die durch Berlin führen: Fernsehturm ̶ S-Bahn-Ring ̶ Stadtautobahn.
Dritter Teil ab 7. Februar:
Kapitel 3: Representation & Absence
Eröffnung: 07.02.2020, 19:00 Uhr Öffnungszeiten: 08.02.2020 – 01.03.2020, Dienstag – Samstag, 13:30 Uhr – 18:30 Uhr
Der abschließende Teil der Ausstellung deckt unterschiedliche politische Motivationen auf, die die Herausgabe von Karten Berlins im Laufe der Zeit geprägt haben. Viele der kartografischen Beispiele gehen über eine Reduktion und Vereinfachung der Stadtdarstellung hinaus und weisen redaktionelle Ungenauigkeiten, absichtliche Falschangaben, künstlerische Übertreibungen und sogar fantastische Darstellungen auf! Neben bewussten und unbewussten Auslassungen spielen in diesem Teil der Ausstellung auch bestimmte demografische Merkmale eine Rolle, die beim Entstehungsprozess der Karten außen vor gelassen wurden.
Mit Kunstwerken von Birgit Szepanski und Hadas Tapouchi. In der gezeigten Arbeit von Dr. Birgit Szepanski wird auf einen Teppich aus gefundenen Kleidungsstücken ein Video mit Archivbildern von “Hausierern und Lumpensammlern” projiziert. Die Künstlerin lebt in Berlin. Hier setzt sie sich insbesondere mit dem urbanem Raum, sowie dem Erzählen und Erinnern auseinander. Einen ganz anderen Ansatz verfolgt die 1981 in Israel geborene und an der Hamidrasha- Kunsthochschule ausgebildeten Künstlerin Hadas Tapouchi. Ihre zwei Videos reflektieren das Verhältnis von Körper und sozial konstruiertem Raum anhand von zwei Performances, die auf einer öffentlichen Straße und im Gericht gefilmt werden.
Der Leihgeber
Michael Müller, Jahrgang 1955, sammelt seit fast 20 Jahren Berliner Stadtpläne. In Berlin-Wedding geboren, hat er die Zeiten von Kaltem Krieg und Mauerbau, das Inseldasein West-Berlins und die Wiedervereinigung aus West-Berliner Perspektive erlebt. In seiner Kindheit waren die Folgen der Kriegszerstörungen in Form von ausgedehnten Baulücken in der Stadt noch allgegenwärtig. Beruflich war der studierte Jurist Michael Müller für die Berliner Senatsverwaltung tätig, seit 2019 lebt er im Ruhestand. Michael Müller versteht seine Stadtpläne als Kulturgut, das es verdient, allgemein zugänglich gemacht zu werden. Deshalb stellt er auch einen Teil davon auf seiner nicht-kommerziellen Webseite www.berliner-stadtplansammlung.de online. Sein Archiv dient unter anderem Studenten, Wissenschaftlern, Lehrern und Dozenten als wichtige Informationsquelle zur Berliner Stadtgeschichte.
Die Projektverantwortlichen
Lisa Gordon, Kuratorin des Projekts, verfügt sowohl über einen museologischen als auch einen künstlerischen Background und verfolgt in ihren Projekten bevorzugt einen interdisziplinären, kreativen Ansatz. Sie ist seit nunmehr 15 Jahren für verschiedene kulturelle Projekte tätig. Dabei sind es insbesondere Objekte aus Privatsammlungen, die sie durch Reorganisation und Interpretation zu neuem Leben zu erweckt. Ihr kuratorischer Stil ist geprägt von einem ‘close-reading’ der Objekte, durch welches den Besuchern eine Fülle von Erzählungen und Anekdoten aufgeschlossen wird. Darüber hinaus beschäftigt sich Lisa Gordon mit dem weiten Feld des städtischen Erbes, zu welchem sie bereits diverse wissenschaftliche Arbeiten, insbesondere anhand des Beispiels Berlin veröffentlicht hat.
Verantwortlich für die Projektleitung seitens des CLB Berlin ist dessen Gründer Dr. Sven Sappelt. Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit an Universitäten in Berlin, Bochum und Konstanz arbeitete er seit 2000 freiberuflich als Kurator und Kulturmanager für internationale Kunst- und Kultureinrichtungen, wie z.B. Künstlerhaus Wien, Wiener Festwochen, Villa Massimo Rom, Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft, Humboldt Forum Berlin Bundesinitiative „100 Jahre Bauhaus” oder „Deutschland Land der Ideen“. Er studierte Kulturwissenschaft und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim und wurde in Philosophie promoviert. 2015 gründete er gemeinsam mit Sally Below und Prof. Martin Liebscher das CLB Berlin und 2019 gemeinsam mit Wibke Behrens und Dr. Janet Merkel das Institute for Cultural Governance.
Der Veranstaltungsort
Das CLB Berlin ist ein unabhängiger Projektraum für zeitgenössische Kunst, Kulturwissenschaft und Urbanismus im Aufbau Haus am Moritzplatz in Berlin Kreuzberg. Es wurde im Sommer 2015 gegründet und bietet seitdem ein vielfältiges Programm mit Ausstellungen, Performances, Filmvorführungen, Buchvorstellungen, Lesungen, Vorträgen und Diskussionen. Die thematischen Schwerpunkte kreisen um die zentralen Begriffe der Kunst, Wissenschaft und Stadt. Wobei ganz bewusst die Grenzen der Disziplinen überschritten werden und eher von einem offenen Netz von wechselseitigen Bezügen und Verflechtungen die Rede sein könnte, das weitere Akteure, die unsere Lebensräume prägen, aus Kultur, Wirtschaft und Politik, mit einbezieht.
Bildrecht: Berlin 1688, Residentia Electoralis Brandenburgica, Joh. Bernhard Schultz, Schulz Nr. 21, www.berliner-stadtplansammlung.de
Datum: 30.11.2019 – 2.03.2020