Bad Roads – Sechs Geschichten über das Leben und den Krieg

Bad Roads, Kolumne von Jeannette Hagen für Kunstleben Berlin

Bad Roads – das Stück von Natalia Vorozhbyt in der Regie von Tamara Trunova, erzählt den Zuschauer*innen in sechs Geschichten all das, was für die Menschen im Donbass seit 2014 Realität ist. Es erzählt vom russischen Überfall auf die Ukraine, von Beziehungen, Brüchen, Verzerrungen, von Liebe und Hass.

Uraufgeführt 2017 am Royal Court, verwebt die Aufführung vor allem Dokumentarisches und wird so zu einem wichtigen Zeitzeugen dessen, was man 2014 schon hätte sehen können, und was nun auf brutale Weise in unser Bewusstsein dringt: ein alltägliche Leben im Krieg. Wir erleben, wie eine junge Frau in den Osten der Ukraine reist, um Dokumentationsmaterial über den Krieg zu sammeln. Doch dort, in der “gray zone”, in der Grauzone des Grenzgebiets, steht sie zwischen beiden Seiten. Sie ist zerrissen im Dazwischen, wo es kein Gut und Böse mehr gibt, wo die Grenze von individueller Opfer- und Täterschaft verwischt – und dort, wo Liebe flüchtig und nur schwer zu begreifen ist.

Vorozhbits Arbeiten sind stets nah an der Realität. So zählt zu den früheren Stücken ein wortgetreues Drama, das auf Aussagen von Demonstranten auf dem Maidan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew in den Jahren 2013 und 2014 beruht. Die Übersetzerin Sasha Dugdale, die mit Vorozhbits zusammenarbeitete, schrieb 2017 im britischen Guardian: “In einer Zeit der Fake News hat ihr Engagement für die mündliche Überlieferung im Theater eine entscheidende Bedeutung im Informationskrieg. Indem sie das Sexuelle und das Weibliche in ihrer Studie über den Krieg hervorhebt, führt uns Natalia die Macht des Konflikts vor Augen, die moderne Gesellschaft zu verzerren”. Und weiter erklärt sie: “Krieg bringt uns zu den intensivsten Gefühlen von Hass und Liebe zurück.”

Dass sich der Krieg in der Ukraine damals wie heute nicht auf Bombenexplosionen, den Beschuss und die Namen von Toten reduzieren lässt, zeigt Bad Roads sehr eindrücklich: Zwischen den Fronten leben außergewöhnliche Menschen, die auf den zerstörten Straßen des Donbass zusammenkommen.

Neben internationalen Aufführungen und einer Verfilmung, gastierte Bad Roads in Deutschland unter anderem auf dem Festival Radar Ost am Deutschen Theater, Berlin und wird ebenso im Juni 2022 auf dem Radikal jung Festival am Volkstheater München zu sehen sein. Dank der Unterstützung des Goethe-Instituts ist ein zweites Gastspiel in Deutschland – am Berliner Ensemble – ermöglicht worden. Die Inszenierung wird in ukrainischer und russischer Sprache mit deutschen Übertiteln gezeigt.

Bad Roads, Kolumne von Jeannette Hagen für Kunstleben Berlin

Zum Engagement des Berliner Ensembles und weiterer Häuser

Mitte März, wenige Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, hat das Berliner Ensemble zusammen mit 70 weiteren Kulturinstitutionen eine Absichtserklärung unterzeichnet, ukrainische Künstler:innen in den Häusern zu empfangen und aufzuführen, um die ukrainische Theaterarbeit für die europäische Gemeinschaft sichtbar zu machen. Zum Ende der Spielzeit zeigt das Berliner Ensemble nun kurzfristig zwei Gastspiele mit ukrainischen Künstler:innen. In der kommenden Spielzeit ist zudem eine eigene Reihe geplant, die von Pavlo Arie, Dramatiker und Chefdramaturg des Kiewer Left Bank Theatre, kuratiert wird.

Das Berliner Ensemble sammelt außerdem weiterhin nach allen Vorstellungen Spenden für das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe. Durch diese Spendenaktion sowie mehrere Benefizveranstaltungen konnten bisher über 80.000 Euro an Spenden gesammelt werden, die u.a. an das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe, die Do Arte Stiftung und #artistsinshelter gespendet wurden.

https://www.berliner-ensemble.de/inszenierung/bad-roads

  • Regie: Tamara Trunova
  • Text: Natalka Vorozhbyt
  • Bühne: Yuriy Larionov
  • Kostüme: Khrystyna Korabelnykova
  • Musik: Tamara Trunova, Akmal Gurezov
  • Produktion: Tamara Trunova, Stas Zhyrkov, Volodymyr Sheyko
  • Darsteller*innen des LEFT BANK THEATRE (KYIV)

Veröffentlicht am: 09.06.2022 | Kategorie: Kolumne Jeannette Hagen, Kultur - was sonst noch passiert, sonstiges, Theater,

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