KANG Contemporary präsentiert die erstmalige Zusammenarbeit mit Katrin von Lehmann, MASCH, Carolyn Prescott und Raúl de Zárate in den Räumen der Galerie. Diese vier, sehr unterschiedlichen künstlerischen Positionen kommen unter dem Leitgedanken transfusio – Verdecken und Sichtbarmachen im Ausstellungsraum zusammen. Das lateinische transfusio bezeichnet ein ,Hinübergießen‘, also die flüssige Bewegung von hier nach dort, eine Übertragungsleistung, die an stete Veränderung denken lässt.
Diese fließende Bewegung zeigt sich im Ausstellungsraum als Eigenheit oder Thema der Werke und auch im Modus ihrer Interaktion. Malerei und Fotografie, Abstraktion und Figuration verbinden sich zu einem flüssigen Zusammenhang, in dem Motive und Bezüge eine momentane Festigkeit gewinnen, die sich im nächsten Moment wieder auflösen kann.
Die Werke verweisen, je verschieden, auf etwas Dahinterliegendes, das zugleich an der Oberfläche des Objekts insistiert. Sie zeigen ein Interesse für formale Phänomene, historische Zusammenhänge und materialspezifische Eigenschaften. Sie eröffnen fiktionale Räume, die in der Geste des Verdeckens etwas sichtbar machen.
Für ihre Fotogeflechte webt Katrin von Lehmann zwei oder mehr in Streifen geschnittene identische Fotografien ineinander. Auf die handwerkliche Arbeit klassischer Flecht- und Webtechniken zurückgreifed entstehen so haptische, verschobene‘ Varianten des ursprünglichen Motivs. Durch die angewandten Techniken werden einige Bildteile überlagert und andere gezeigt; minimale Zwischenräume und eine bewegte Oberfläche entstehen.
Auch MASCHs Arbeiten folgen einem solchen materiellen Spiel von Zeigen und Verbergen: Auf dem Trägermedium der Leinwand sind Stoffreste und Farben übereinander geschichtet und miteinander verwoben. Vergleichbar den Fotoflechtungen von Lehmanns entstehen – hier im Medium der Malerei – bewegte Oberflächen, die die zeitliche Komponente ihrer Entstehung in Erscheinung treten lassen.
In Carolyn Prescotts Chocolate Tins: Ten Ways of Thinking about the Selfwerden die metallenen, aufklappbaren Schokoladendosen zum Trägermedium der Bilder. Von Innen und Außen mit Ölfarbe bemalt zeigen sie die poetisch-visuelle Auseinandersetzung der Künstlerin mit Fragen nach dem Ich in zehn Kapiteln. Sie können in die Hand genommen, geöffnet und geschlossen werden und verkörpern so ganz explizit die Thematik des Verbergens und Zeigens. In einer zweiten Gruppe von Werken, der Overthrow Series, widmet sich Prescott ganz bestimmten Momenten in der Geschichte der USA; jenen Momenten der Unterwerfung und des Umsturzes eines anderen Regimes. Ausgehend von Stephen Kinzers Buch Overthrow. America‘s Century of Regime Change from Hawaii to Iraq und im Zusammenspiel mit ihren eigenen Erinnerungen an diese historischen Ereignisse schafft Prescott 14 kleinformatige Werke im Stil mexikanischer retablos (Andachtsgemälde), die individuelle und vielleicht neue Perspektiven auf diese Sachverhalte offenbaren.
Fotografien bilden den Ausgangspunkt für s Malereien. Oft nimmt sie der Künstler selbst auf, inszeniert sie. Dabei interessiert ihn insbesondere das Verhältnis von Figur und Umraum, wenn er die fotografischen Motive in Malerei übersetzt. De Zárates Figuren finden sich an Orten wieder, die sich weder zeitlich noch räumlich bestimmen lassen. Vielmehr sind es Räume der reinen Malerei, bestehend allein aus Farbe und Duktus. In ihnen entdecken oder erkunden die Figuren etwas, das durch eine Geste, einen Blick zwar angedeutet wird, für die Betrachterin jedoch im Verborgenen bleibt.
Rahel Schrohe
Ausstellung “transfusio” – kuratiert von Rahel Schrohe
03.07.2021 – 20.08.2021