Die Ausstellung „Augenblicke“ (Opening: Do., 29. Juni 2023 | 19–22 h) versammelt Werke von vier Künstlern – Simone Haack, Malte Hagen Olbertz, Thomas Ritz und ROMY. Wie kommt es, dass das gemalte Bildnis eines menschlichen Angesicht uns nicht nur emotional „packt“, sondern oft sogar nachhaltig beeindruckt und sich sogar unauslöschlich in das kollektive Gedächtnis einprägen kann – so wie beispielsweise Leonardo da Vincis „Mona Lisa” oder Jan Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ oder auch die Bildnisse von modernen Malern wie etwa Francis Bacon, Lucian Freud oder Gerhard Richter?
Woran liegt es, dass wir uns einem Kunstwerk, welches das Porträt eines Menschen darstellt, kaum entziehen können? Die Ausstellung „Augenblicke“ geht dieser Frage nach. Sie versammelt Porträts, Akte und Figurenbilder. Gesichter blicken auf den Betrachter und entfalten – ob inszeniert, ironisiert, verfremdet oder verrätselt – eine eindringlich-faszinierende Wirkung.
Infolge zunehmender Individualisierung und gesellschaftlicher Differenzierung sind Porträts und Figurenbilder in der Malerei wieder ein großes Thema. Viele Werke, die in der Ausstellung gezeigt werden, kreisen um Fragen der Identität: Wer ist das? Und wer eigentlich sind wir selbst?
André Lindhorst, Juni 2023
Simone Haack
Ein Raum voller Menschen tut sich auf. Sie sitzen dichtgedrängt in einem großen Saal. Wir blicken in ihn hinein, aus ungewöhnlicher Perspektive. Uns selbst scheint man nicht wahrzunehmen. Sind wir in eine andere Zeit geraten? Und was überhaupt zieht diese Menschen so in ihren Bann?
Malerische Elemente, wie die Inszenierungen ihrer Porträts zwischen konkreter Wirklichkeit, dem Traum oder imaginären Szenarien, sind geradezu bildbestimmend für Simone Haacks Œuvre. Das Vertraute entrückt – oft camouflageartig. Die Gestalten, Räume und Gegenstände, die sie um ihr Kernthema Mensch herum formt, sind kein sicherer Besitz mehr. Es gibt nur vage Andeutungen einstiger Momente oder Ereignisse. Die Künstlerin spielt mit der Realität und der Fiktion – wir werden in eine seltsame und magische Realität gezogen.
Malte Hagen Olbertz
Das Halbprofil eines Mannes – des Künstlers selbst vielleicht sogar – im Kostüm eines Clowns. Selbstbewusst, gar etwas respektlos und wohl auch ein wenig sarkastisch blickt er über seinen Rüschenkragen auf uns herab. Amüsiert er sich womöglich sogar über uns?
Zweifellos sind sie seelenverwandt – der Clown und der Künstler. Beide gelten oft immer noch als Außenseiter der Gesellschaft. Beide halten uns ihren (Narren-)Spiegel vor, verweigern sich geltenden Konventionen und nehmen sich die Freiheit, gesellschaftliche Tabus ad absurdum zu führen.
Das Gemälde „Powernap“ von Malte Hagen Olbertz stellt einen ganz in sich versunkenen Clown dar. Es assoziiert den Eindruck einer vollkommenen Dissonanz, einer kompletten Absonderung gegenüber dem, was von außen auf ihn einwirkt.
Von M. H. Olbertz sind Selbstbildnisse sowie weibliche Akte in der Ausstellung zu sehen.
Thomas Ritz
Oft in erschreckender Frontalität nehmen uns die Figuren des Basler Malers Thomas Ritz in den Blick. Manchmal, so scheint es, fixieren sie uns aus einer Zeit weit vor der unseren. Doch bald schon ahnen wir, dass wir auf uns blicken wie in einem Spiegel. Die flüchtigen, verblassenden Erscheinungen sind niemand anderes als wir selbst.
Die Landschaften, in die Thomas Ritz seine Figuren versetzt, sind von einer eigenartigmelancholischen Stimmung geprägt. Wir wissen nicht, wo die Menschen verortet sind. Auch entziehen sie sich jeglicher Personifizierung.
Ritz’ Arbeiten mit ihren ahnungsvollen Stimmungen sind von starker psychologischer Wirkung. Wasser spielt darin eine primäre Rolle. Einerseits erscheint es so, als ob der Mensch im Wasser ein Urerlebnis erfährt – eine körperliche und geistige Reinigung. Andererseits werden wir mit einem Bruch der einstigen Einheit von Mensch und Natur konfrontiert. So entwurzelt und im Übergang in eine andere, völlig ungewisse Welt wirkt der Mensch wie in einem Schwebezustand.
ROMY
Eine zentrale Rolle im Werk von ROMY spielt der Mensch. „Meine Bilder zeigen Visionen der menschlichen Existenz – des Begehrens, des Träumens und des Entfliehens aus dem Jetzt“, erläuterte die Berliner Künstlerin ihre Werke in einem Interview. Trotz der traumhaften Zweideutigkeit und der Intimitäten, in die sie ihre Motive oft einbettet, wecken die großformatigen, ausdrucksstarken Porträts von ROMY an unsere moderne Gegenwart und an die mit ihr verbundenen verunsichernden Erfahrungen.
Die Malweise der Künstlerin erinnert an altmeisterliche Techniken. Bis zu vierzig Lasurschichten legt sie im Malprozess übereinander. Dass ROMY Surreales und Fantastisches mischt, verleiht ihren Kompositionen eine besonders eigenwillige Note.
Was sie malt, sind Vorstellungswelten im Grenzbereich zwischen Wirklichkeit und Traum, wahrhaftem Abbild und skurriler Schöpfung. Ein spezifischer Ausdruck der Augen, sowie die Gebärden und Gesten der Menschen, die sie ins Bild setzt, deuten auf innere Verfasstheiten hin. Solche Motive spiegeln Lebensgefühle und Empfindungen wider – Sehnsüchte, Erwartungen, Hoffnungen oder Zuversicht, aber auch Angst, Wut oder Verzweiflung.
AUGENBLICKE – Porträts, Künstlerbildnisse, Akte und Figurenbilder
30. Juni 2023 – 12. August 2023
Vernissage: Do., 29. Juni 2023 | 19–22 h