Die Ausstellungsreihe CHARTA# wird über einen Zeitraum von 2 Jahren 2021/2022 mit 4 Ausstellungen eine thematisch gefilterte Bestandsaufnahme relevanter zeichnerischer Positionen vornehmen, die Grenzen der Zeichnung ausloten und verschieben wollen. In Berlin hat sich inzwischen ein weit verzweigtes Netzwerk von Künstlerinnen und Künstlern herausgebildet, die sich vorrangig dem Medium Zeichnung widmen.
Für sie dient die Zeichnung weit mehr als ein Mittel zur Fixierung von Ideen oder als vorbereitende und begleitende Technik zu “großen Werken” in anderen Medien. Für sie ist der intensive Umgang mit der Linie die primäre Möglichkeit, sich auszudrücken, d.h. ihre Auseinandersetzung mit der Welt für andere visuell erfahrbar zu machen.
CHARTA #2 – Identität und Narration
Unter den Begriffen Identität und Narration versammeln wir fünf künstlerische Positionen , die – alle in Berlin lebend und arbeitend – jeweils sehr individuelle und distinkte zeichnerische Idiome entwickelt haben. Es ist dies die zweite Ausstellung unserer auf vier Surveys zum Medium angelegten Reihe.
Jede*r der hier präsentierten Künstler*innen hat sich über die Jahre immer wieder mit Fragen von Identität und Herkunft sowie den diversen – oft sich überlagernden und auch gegenseitig widersprechenden – Voraussetzungen und Kontexten des künstlerischen Schaffens beschäftigt.
Wer sich als Künstler*in in einem (weitestgehend) figurativ darstellenden Feld bewegt, kommt nicht umhin diese Themen mit zu reflektieren. Was ist es es was uns als Menschen ausmacht? Wo sind die Grenzen von Subjekt und Objekt? Von “Ich” und Welt?
Wo gibt es quasi universelle und ganz und gar spezifischen Parameter, die Identität prägen und uns auf unserem Lebensweg begleiten? Es sind dies geographische, historische, politische, postkoloniale, biographische, sexualpolitische und ganz allgemein kulturelle Elemente, die in diesem Kraftfeld miteinander agieren und neue Narrative schaffen, in denen die Künstler*innen, diese Fragen ausformulieren.
Gerade in den letzten Jahren haben diese Themen zu einer besonderen Dringlichkeit gefunden, die Zusammensetzung der Protagonistinnen des Diskurses hat sich verschoben, von den ehemaligen Rändern hin zur Mitte. Wer spricht über was mit welcher Berechtigung? In der Geschichte des Mediums Zeichnung lässt sich analog zu allen anderen Diskursen und Debatten in allen Disziplinen eine Intensivierung des Interesse an sowohl Fragen der Identität wie auch an denen der Präsentation narrativer Inhalte beobachten.
Jenseits von Fragen neuer Dramaturgien oder einem neuen Storytelling in den popkulturellen zeitbasierten Medien, haben sich – oft im Rückgriff auf historische Formen – neue Muster und Typen von Narrativer Kunst entwickelt, ohne dass Sprache dabei immer ein Mittel der Verdeutlichung sein musste.
Marc Brandenburg
Marc Brandenburg, dessen Protagonisten meist in urbanen Räumen beheimatet sind und die in invertierten Graphit-Zeichnungen (beleuchtet von Schwarzlicht) von ihm wie auf einem Röntgenbild präsentiert werden, spielt mit einer Ästhetik fragmentierter Narration. Identität kann einerseits als Konzept gelebt werden, dass selbstgewählt und fluide den gesellschaftlichen Rahmen vermisst und erweitert, aber auch als ironische Antwort auf Normierungen und gewaltsame Zuschreibungen.
Stella Geppert
Stella Geppert widmet sich hingegen Fragen der Kommunikation und des tief menschlichen Bedürfnisse die Grenzen des Ich zu überwerwinden und in empathischen Gesten mit dem Anderen in Kontakt zu treten.
Marianna Ignataki
Marianna Ignataki scheint gleichfalls im Mythos Inspiration zu finden, ihre Heroen und Heroinnen sind melancholische Mischwesen aus den Zonen des Unterbewussten und der Welt des schönen Glamours, die uns mit ihrem bitter- süßem Charme anlocken.
Tim Plamper
Tim Plampers fotografisch-präzise Blätter in Graphit entstammen einem tiefen Interesse an der Wiederbefragung verschütteter mythischer Restbestände in unserem modernen Leben. Plamper schält einen verborgenen Kern an atavistischer Ur-Energie heraus, wenn er uns in seinem collagehaften Zeichnungen existentielle Fragen jenseits von Logos und Ratio präsentiert.
Sandra Vásquez de la Horra
Sandra Vásquez de la Horras neue Leporello- Arbeiten sind Zeichnungen auf der Schwelle zum Objekt, sie besetzten den Raum und fordern eine neue Form der Betrachtung. Silhouetten liegender Körper, die sich wie Bergkuppen in der Landschaft erheben und mehransichtige Köpfe lassen eindeutige Zuschreibungen der Figuren nicht zu, sie fordern den Blick immer wieder aufs Neue heraus.
CHARTA #2 – Identity and Narration
20. November 2021 – 22. Januar 2022