Angeschaut – Ben Becker – Affe

Ben Becker - Affe, Jeannette Hagen für Kunstleben Berlin

Der Abend im Admiralspalast endete mit Standing Ovations und einem zutiefst gerührten und erleichterten Ben Becker. Erleichtert vielleicht deshalb, weil alles hätte schiefgehen können. „Ich hoffe, ihr habt verstanden, worum es mir ging“, sagte Becker zum Abschluss. Der erneut aufbrausende Applaus ließ ihn die Arme hochreißen. Dann drehte er sich schnell weg, weil ihn die Gefühle übermannten.

Es gibt Veranstaltungen, die nie enden sollten. Wenn – so wie bei „Affe“ nach gut 80 Minuten dann doch der Vorhang fällt, nimmt man es, trotz des Wunsches zuvor, erstaunlich leicht und geht erfüllt, beseelt und beschwingt nach Hause. Aber nicht nur das, denn Wohlfühlatmosphäre zu verbreiten oder Menschen mit Unterhaltung zu berieseln, sind nicht das Ansinnen Beckers. Literatur an den Mann und die Frau zu bringen, sie zu beleben, schon eher. Aber bei „Affe“ geht es um mehr. Hier setzt sich Becker, der nicht nur spielt, sondern auch Regie führt, nach „Ich, Judas“ erneut mit den tiefen Fragen unserer Existenz auseinander und verknüpft dafür Texte von Friedrich Engels und Franz Kafka. Und genau diese Verknüpfung hätte die Sollbruchstelle sein können, schließlich liegen die Texte gut 30 Jahre auseinander. Dass sie es nicht war, liegt zum einen an der geschickten Inszenierung, zum anderen natürlich an der unglaublichen schauspielerischen Leistung Beckers.

Ben Becker ist ein Ausnahmeschauspieler. Einer, der die Bühne mit seiner Präsenz füllt, der dicht am Publikum ist und der sich auf der Klaviatur der Gefühle so sicher und überzeugend bewegt, wie kaum ein anderer. Man nimmt ihm die Fragen ab, die er stellt. Man nimmt ab, dass es nicht darum geht, auf einen Zug aufzuspringen, der aktuell durch die Denkstuben rauscht. Wie passend Kafkas Gedanken – nicht Freiheit, sondern einen Ausweg zu suchen. Und die Verzweiflung darüber zu erleben, dass es keine einfachen Antworten gibt.

Der Mensch, der sich aus dem Affen entwickelt hat. Der mit dem Gebrauch seiner Hände, mit der Entdeckung des Feuers, mit dem Ackerbau, der Viehzucht, der Industrialisierung immer höhere Ebenen erklommen und sich und seine Bedürfnisse dabei verraten hat, sie verraten musste, wenn er nicht im Zoo enden wollte. Der Mensch, der ausbeutet, der immer mehr lernt, aber dabei vergisst, wer er ist.

Ben Beckers Inszenierung „Affe“ ist der schmerzliche Blick auf den Preis, den wir für unseren Fortschritt zahlen. Brillant dargestellt von einem Mann, der hier, wie er selbst in einem Interview sagt, etwas sehr Persönliches auf die Bühne bringt, denn die Texte von Kafka und Engels begleiten und bewegen ihn schon lange. Mir ging erging es exakt so, wie Ben Becker sich das wünscht: Für mich war seine Performance ein Geschenk, das mich in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten begleiten wird. An das ich denken werde, wenn die großen Fragen auf den Alltag treffen. Der Blick zurück zu den Ursprüngen kann helfen, den Blick nach vorn zu klären und manchmal braucht es einen Affen, um das zu verstehen.

Im Admiralspalast vom 18.-20. Februar und am 01. und 02.12.2020,
weitere Termine unter www.benbecker.de

Was Becker selbst zu seinem Programm sagt:

 

Veröffentlicht am: 19.02.2020 | Kategorie: Kolumne Jeannette Hagen, Kultur - was sonst noch passiert, Kunst - was sonst noch passiert, Literatur, Redaktion-Tipp, | Tag: Ben Becker, Jeannette Hagen, Kolumne Jeannette Hagen,

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